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42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers

Titel: 42 - Waldröschen 01 - Das Geheimnis des Bettlers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gesagt, daß er selbst sich noch während der Nacht von der Sicherheit des Gefängnisses überzeugt hat?“
    „Allerdings. Mein Sohn hat das Gefängnis inspiziert und dabei bemerkt, daß der Gefangene schlafend am Boden lag.“
    „So müssen die Diener ihm zur Freiheit verholfen haben. Es ist kein anderer Fall denkbar.“
    „Das bezweifle ich. Die beiden Männer waren so ganz außerordentlich bestürzt, daß ich an ihrer Unschuld gar nicht zweifeln kann.“
    „Auch ich bin überzeugt, daß nicht die mindeste Schuld sie trifft“, bemerkte Rosa mit warmem Nachdruck. „Diese Leute sind treu; das kann ich behaupten.“
    „Aber, meine gnädige Contezza, wie hat dann der Räuber ohne ihr Wissen oder gar ohne ihre Hilfe das Gefängnis verlassen können?“ fragte der Advokat.
    „Das wird wohl die Untersuchung ergeben. Der Vater hat Euch rufen lassen, um Euch bei derselben zu beteiligen.“
    „So wollen wir hoffen, daß sie nicht erfolglos sei! Ich werde mich sofort an Ort und Stelle begeben.“
    Was sich voraussehen ließ, geschah. Die Nachforschung hatte nicht das mindeste Ergebnis.
    Auch Sternau wurde durch die im Schloß herrschende Unruhe vom Schlaf erweckt. Als er später den Korridor betrat, stieß er auf den kleinen Kastellan, dessen Gesicht ein einziger Ausdruck der höchsten Bestürzung war.
    „Señor, wißt Ihr es schon?“ fragte er hastig.
    „Was?“
    „Daß dieser Spitzbube, dieser Mörder ausgerissen ist?“
    „Unmöglich!“ rief der Arzt erschrocken.
    „Oh, sehr möglich, Señor!“ antwortete der Kastellan. „Er ist fort, über alle Berge; das sagt meine Elvira auch!“
    „Aber wie denn? Wie konnte es ihm gelingen, zu entkommen?“
    „Das weiß kein Mensch, sogar meine Elvira nicht, Señor!“
    „Ist er denn nicht bewacht worden?“
    „Sogar sehr! Ich habe ja zwei Knechte an seine Tür gestellt. Auch der gnädige Graf Alfonzo ist bei ihnen gewesen, um sich von ihrer Wachsamkeit zu überzeugen. Er hat gesehen, daß der Gefangene sich in dem Gefängnis befand. Heute früh aber, als die Knechte öffneten, um dem Menschen Wasser zu geben, da war er fort.“
    „Das ist ja erstaunlich! Das klingt gar verdächtig. Das muß untersucht werden! Ist der Mann entwischt, so ist mit ihm ja auch die Hoffnung verschwunden, über den gestrigen Mordanfall eine Aufklärung zu erlangen!“
    „Leider, Señor! Nun werden die Gerichte kommen, um die Untersuchung zu beginnen, und die Hauptperson, der Mörder, ist fort. Das ist fatal; das ist sogar blamierend für uns; das sagt meine Elvira auch. Aber ich stehe hier und habe es doch so notwendig! Ich muß mich sputen, denn der Wagen wird angespannt, und ich habe die gute Contezza Rosa nach Pons zu begleiten.“
    Er eilte weiter, denn er hatte jetzt vor allen Dingen eine sehr ehrenvolle Pflicht zu erfüllen, er mußte seine Herrin unter seinen starken Schutz nehmen, damit ihr unterwegs kein Leid widerfahre. Das machte ihn stolz; das schwellte die Muskeln seines kleinen Körpers und gab ihm den Mut eines Löwen. Und wenn er auch nicht gerade das Schwert des alten Urahn-Ritters umschnallte, so fühlte er sich doch ganz und gar als den treuesten und tapfersten Ritter der schönsten Doña im schönen Spanien. Übrigens, was das Schwert betrifft, so wäre es ihm gar nicht gut möglich gewesen, seine Hüften damit zu umgürten, da es fast ebenso lang war als er selbst.
    In Pons war heute Jahrmarkt, und darum durfte man sich nicht wundern, daß auf den Straßen und Wegen, durch welche dieser Ort mit der Umgegend verbunden war, bereits am frühen Morgen ein reges Leben herrschte. Der Spanier ist ernst, doch wenn sich ihm Gelegenheit bietet, das Leben von der heiteren Seite zu nehmen, so gibt er sich dem Genuß um so nachdrücklicher hin.
    Zwei Männer schritten von Osten her der Stadt entgegen. Sie hielten sich der Straße fern und benutzten nur Wege, auf denen sie keine häufigen Begegnungen zu erwarten hatten. Sie trugen lange Pyrenäenbüchsen auf der Schulter und Messer und Pistolen im Gürtel und hatten auch sonst nicht das Aussehen friedlich gesinnter Leute. An einer Schnur hing jedem von ihnen eine schwarze Tuchrolle von der Achsel hernieder. Hätte man dieselbe aufgerollt, so hätte man sie als eine schwarze Kapuze erkannt, welche vorn wie eine Maske mit ausgeschnittenen Augenlöchern gebaut war. Solche Kapuzen hatten die Briganten bei dem Überfall im Park von Rodriganda getragen, darum war es nicht schwer, diese Männer mit ihnen in Verbindung zu bringen.
    Und

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