43 Gründe, warum es AUS ist
zeigte er mir den Finger. Die Welt wird immer schlechter, ging mir durch den Kopf, so wie in Die Tore des Schlafs, einem Remake von Rip van Winkle, aus dem Al und ich vor dem Ende rausgegangen sind – jedes Mal, wenn der Held aufwachte, war sein Leben noch ein Stück deprimierender: die Frau tot, die Söhne Trinker, die Umweltverschmutzung in der Stadt noch schlimmer, die Herrscher noch korrupter, der Krieg nicht endend und immer blutiger. Al schlug einen neuen Titel für den Film vor: Sie sind gut drauf? Keine Sorge, das lässt sich ändern.
Schon als sich ein alter Mann im Bus ganz ernsthaft bei mir für den guten Service bedankte, hätte ich wissen müssen, dass mein Kostüm wieder mal ein Totalflop sein würde, aber erst als ich unter dem Bogengang aus orangeroten und schwarzen Ballons hindurchging, um nach dir zu suchen, traf mich der Schlag mit voller Härte. Ausgeteilt hat ihn ausgerechnet Jillian Beach. »Oh Gott«, sagte sie. Schon leicht angeheitert stand sie da in rot-weiß gestreiften Shorts und einem BH aus blauen Schals. Der Abend war kalt, und sie hatte schon jetzt eine Gänsehaut, sodass sie wie ein Stachelschwein aussah. Annette hat recht, dachte ich, vor der muss ich keine Angst haben.
»Was ist?«
»Du bist ja wirklich so was von durchgeknallt, Min! Ein jüdisches Mädchen, das sich als Hitler verkleidet?«
»Ich bin nicht Hitler.«
»Du fliegst. Du fliegst von der Schule.«
»Ich bin eine Gefängniswärterin, Jillian. Was bist du?«
»Barbara Ross.«
»Wer?«
»Die hat unsere Fahne erfunden.«
» Betsy Ross, Jillian. Wir sehen uns später, okay?«
»Ed ist nicht hier«, antwortete sie.
»Schon okay«, sagte ich, bemühte mich aber erst gar nicht, überzeugend zu klingen. Ein Nazi, der zu früh zu einer Party im Freien erscheint. Ein Grüppchen Freshmen machte einen Bogen um mich, sie flüsterten sich gegenseitig etwas in ihre Mauseöhrchen. In einer Ecke putzte sich ein Haufen Draculas noch heraus. Und natürlich lief schon dieser Song, den ich so hasste. Die Trainer nippten an Kaffeebechern und schwitzten in ihren Umhängen. Gerettet hat mich dann (wer hätte es gedacht?) Trevor, der mit einem Fuß in Gips auf mich zuhumpelte.
»Hey, Min. Oder sollte ich lieber Wachtmeister Green sagen?«
Besser ein Polizist als Hitler. »Hey, Trevor. Als was gehst du?«
»Als ein Typ, der sich gestern den Fuß gebrochen hat und deshalb bei den Sträflingen nicht mitmachen kann.«
»Du würdest aber auch alles machen, damit du um den Auftritt auf der Bühne herumkommst.«
Er hat laut gelacht und von irgendwoher ein Bier hervorgezaubert. »Du bist echt witzig«, sagte er, so als hätte je jemand etwas anderes behauptet. Er trank einen Schluck, dann hielt er mir die Flasche hin. Mir war klar, dass er das mit jedem Mädchen, mit jedem Menschen überhaupt machte und dass ihm noch nie jemand die Flasche unberührt zurückgegeben hatte.
»Danke, ich brauch nichts.«
»Ach, stimmt«, sagte er, »du magst ja kein Bier.«
»Das hat Ed dir gesagt.«
»Ja, wieso – sollte ich das nicht wissen?«
»Nein, nein, schon gut.« Ich sah mich wieder nach dir um.
»Nämlich, er erzählt mir sowieso alles.«
»Ach ja?«, fragte ich, und dann gab ich die Suche auf und sah ihm in die Augen. Er war blau, wie immer, oder vielleicht war er auch nie blau. Mir wurde klar, dass ich den Unterschied gar nicht erkennen könnte, dafür kannte ich ihn viel zu wenig.
»Ist so«, sagte er. »Slatertons Freundinnen müssen das lernen oder die Fliege machen.«
»Die Fliege machen?«
»Genau, die Fliege machen«, sagte er mit einem etwas schiefen Nicken. Selbst im besoffenen Zustand ( falls er besoffen war) brachte er solche Ausdrücke immer noch locker genug rüber. »Wir reden nämlich eine Menge, Ed und ich.«
»Und, was sagt er so?«
»Dass er dich liebt«, antwortete Trevor spontan. Es schien ihm auch gar nicht peinlich zu sein. »Dass du den Test bei seiner Schwester bestanden hast. Dass du nichts gegen seinen Mathe-Tick hast. Dass ihr eine verrückte Party für einen Filmstar plant und dass ich den verdammten Champagner besorgen muss, sonst tritt er mich in den Arsch. Und dass er nicht mehr schwul sagen darf – darf ich das wenigstens noch sagen?«
»Klar«, sagte ich, »du bist ja nicht mein Freund.«
»Gott sei Dank«, sagte er, und dann (und da hast du das vermutlich her!) schob er noch hinterher: »Nichts für ungut.«
»Kein Problem.«
»Ich meine ja nur – mit uns beiden würde das wohl nicht gut
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