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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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schon dafür gewappnet, dass sie monieren würde, der Jazz sei zu laut, ich solle mal an die Nachbarn denken.
    »Danke«, sagte ich und meinte den Tee.
    »Auch wenn du’s im Mantel deines Vaters bist«, sagte sie. Das hatte sie sich dieses Jahr angewöhnt, diese ständigen Sticheleien über Dad. »Ich werde versuchen, ihn heute Abend komplett zu ruinieren, extra für dich, Mom.«
    Sie lachte ein bisschen. »Und zwar wie?«
    »Hm – ich werde Drogen drüberkippen und mich im Schlamm wälzen.«
    »Wann lerne ich den Jungen mal kennen?«
    »Mom.«
    »Ich möchte ihn ja nur kennenlernen.«
    »Taxieren möchtest du ihn.«
    Jetzt probierte sie es mit der alten Masche. »Ich liebe dich, Min. Du bist meine einzige Tochter.«
    »Was willst du wissen?«, fragte ich. »Er ist groß, er ist schlank, er ist höflich. Oder ist er am Telefon etwa nicht höflich?«
    »Doch.«
    »Und er ist der Kapitän der Basketballmannschaft.«
    »Co-Kapitän.«
    »Das heißt, es gibt noch einen anderen Kapitän.«
    »Ich weiß, was das heißt, Min. Ich frage mich nur – was habt ihr beide gemein?«
    Statt ihr die Augen auszukratzen, habe ich an meinem Tee genippt. »Themenbezogene Halloween-Kostüme.«
    »Das hast du mir schon erzählt. Die ganze Mannschaft geht als Sträflinge, und du spielst mit.«
    »Es geht mir nicht darum, mitzuspielen .«
    »Ich weiß, dass er beliebt ist, Min. Das weiß ich von Jordans Mutter. Ich will nur nicht, dass du dich wie ein Hündchen an der Leine herumführen lässt.«
    »Hündchen? Ich bin schließlich der Gefangenenwärter. Ich werde die herumführen.« Was natürlich nicht stimmte, aber das ging sie verdammt noch mal nichts an.
    »Okay, okay«, sagte meine Mutter. »Das Kostüm macht jedenfalls Fortschritte. Und was ist mit denen da?«
    »Schlüssel. Wärter haben doch immer Schlüssel.« Eine idiotische Sekunde lang gefiel es mir, sie einzuweihen. »Ich dachte, ich trage sie am Gürtel, und wenn das Fest zu Ende ist, schenke ich sie Ed.«
    Mom riss die Augen auf.
    »Du willst Ed diese Schlüssel schenken?«
    »Wieso nicht? Ich hab sie doch bezahlt.«
    »Aber, Min, Liebes«, sagte sie und legte mir eine Hand auf die Schulter. Es juckte mich in den Fingern, die Spraydose auf ihr Gesicht zu richten, damit sie ganz grau wird, aber plötzlich ist mir aufgefallen: Das war sie schon. Was allerdings keine Überraschung war. »Wäre das nicht ein bisschen zu – du weißt schon?«
    »Was?«
    »Symbolisch?«
    »Wie?«
    »Ich meine …«
    » Pfui. Du meinst, ein kleiner dreckiger Witz? Schlüssel ins Schlüsselloch?«
    »Also, die Leute werden sich schon ihr Teil denken …«
    »Mom, du bist ekelhaft, niemand denkt so. Ehrlich.«
    »Min«, sagte sie leise, und dabei glitten ihre Augen wie Suchscheinwerfer über mich, »schläfst du mit diesem Jungen?«
    Dieser Junge. Hündchen. Du bist meine Tochter. Es kam mir vor wie verdorbenes Essen, mit dem ich zwangsernährt wurde, ich konnte es einfach nicht bei mir behalten. Ihre Finger jagten immer noch über meine Schulter, wie eine kleine Schulschere, stumpf, ineffektiv, nutzlos. »Das«, sagte ich, »geht dich nichts an. Absolut gar nichts.«
    »Du bist meine Tochter. Ich liebe dich.«
    Ich trat drei Schritte zurück, um sie anzusehen, wie sie dastand, die Hände in die Seiten gestemmt. Am Boden, auf Zeitungspapier, der Hut, den ich aufsetzen wollte. Weißt du eigentlich, Ed, dass es wie ein verdammter Schlag in die Magengrube ist, dass meine Mutter am Ende recht behalten hat? Ich muss irgendwas gebrüllt haben, und sie muss irgendwas zurückgebrüllt haben und zurück ins Haus gestampft sein, ganz sicher, aber davon weiß ich nichts mehr. Das Einzige, woran ich mich erinnere, ist, dass die Musik aufhörte, die sie zur Strafe ausgestellt hat. Der Soundtrack zu meinem Tag fehlte plötzlich. Die kann mich mal, dachte ich. Yeah Hawk yeah. Ich war sowieso fertig.
    Aber am Ende habe ich dir die Schlüssel doch nicht gegeben. Der Tag zog sich dahin, ich machte ein paar Hausaufgaben, döste, vermisste Al, überlegte, ob ich Al anrufen sollte, habe Al nicht angerufen, habe mich angezogen und bin aus dem Haus, als es dämmerte, nicht ohne meine Mutter noch mit einem Blick zu durchbohren, die dabei war, Bonbons in eine Schale zu füllen, die sie nach und nach selbst essen würde, während sie dasaß und darauf wartete, dass Kinder an der Tür läuteten. An der Straßenecke zielte ein Junge, bei dem ich früher manchmal Babysitterin war, gerade mit Eiern auf Autos. Als er mich sah,

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