43 Gründe, warum es AUS ist
meinen Kopf ab, und es sah weiter nach Regen aus. Ungeschützt fühlte ich mich, wie ich so vor dem Green Mountain stand, gefährdet wie eine Streichholzflamme, wie ein Baby-Irgendwas mitten im Straßenverkehr, ohne Mutter oder Halsband oder auch nur einen Pappkarton als Zuhause. »Ich mach mir um alle Gedanken«, sagte ich. Warum nicht ehrlich antworten? » Anders, alle sagen sie, ich sei anders. Jetzt gehört er zu mir, aber du hast recht, eine andere kann ihn mir auch wieder wegnehmen. Für alle, die er sonst kennt, bin ich eine Außenseiterin.«
Sie machte sich erst gar nicht die Mühe, mir zu widersprechen. »Aber«, sagte sie, »er liebt dich.«
»Und ich liebe ihn«, sagte ich, obwohl ich viel lieber Danke gesagt hätte. Blöd, wie ich war, ich Närrin mit dieser Feile in der Tüte, dachte ich tatsächlich, sie meine es nur gut, passe auf mich auf.
»Wer kennt schon die gewundenen Wege der Liebe«, zitierte sie, »gleich denen einer Schlange im Garten unserer unbeschwerten Seele.«
»Woher ist das?«
»Alice Sallford«, sagte sie. »Literaturkurs zehnte Klasse. Ich dachte immer, du bist die Intellektuelle von uns beiden.«
»Ich bin nicht intellektuell.«
»Jedenfalls bist du was Besonderes«, sagte sie und umarmte mich flüchtig, dabei rasselten ihre Ketten. Natürlich setzte der Regen wieder ein. Annette flitzte von Markise zu Markise und winkte mir noch einmal zu, bevor sie verschwand. Schön war sie, schön in ihrem Outfit, schön auch bei Regen. Die Tüte mit der Feile schlug mir ans Bein. Es war eine bescheuerte Idee, kein Mensch hätte kapiert, was das sollte, wenn ich es wirklich durchgezogen hätte. Nicht einmal du, Ed, dachte ich, während ich ihr nachschaute. Und deswegen ist es aus. Hier hast du sie, Ed, wie konntest du nur?
Das hier ist nicht von dir. Es steckte in einem Umschlag, den jemand mit Tesa an meinen Spind geklebt hatte. Nicht mal mein Name stand drauf. Erst dachte ich, es sei von dir, aber es fiel mir einfach in die Hand, kein Briefchen dabei. Ich fühlte Als Zorn, seinen Trotz, seinen ehrenhaften, gottverdammten Zorn, als ich das hier in meiner Hand hielt. Meine Freikarte, die ich mir damit verdient hatte, dass ich mit ihm die Poster aufgehängt hatte. Gottverdammter Unterausschuss. Er hätte mich zwingen können, mir eine Karte zu kaufen, aber nein, hier war sie, mit einem Kreuz im Kästchen neben dem Wort Freikarte. Sie gehört dir nicht, aber ich gebe sie dir trotzdem zurück, weil alles deine Schuld ist. Statt normaler Karten lassen die Theater- AG s immer solche originellen Anhänger machen, die man am Hals tragen kann, die extremen Goths peinlicherweise sogar das ganze Jahr lang, um jedem zu zeigen, dass sie auf dem alternativen Halloweenball waren. Ich hab meine noch nie umbehalten, sie landeten immer in irgendeiner Schublade oder so. HOFFNUNG. Das ist wirklich ein Witz. Eine Erinnerung an die Nacht, die Halloween-Nacht unter dem Motto »Rein böse«, in der wir – geben wir’s doch zu – hätten Schluss machen sollen.
Warum ist es dann also aus mit uns? Wenn ich jetzt daran denke, so richtig darüber nachdenke, dann fällt mir als Erstes ein, wie müde ich war an diesem Halloween-Samstag, weil ich so früh aufgestanden war, um heimlich noch einmal zu Alles Tipptopp zu gehen, um diese beiden hier zu kaufen, die ich dir nie gegeben habe. Später stand ich dann gähnend vor unserem Haus, färbte mit Spray eine alte Kappe aus dem Secondhand-Laden ein, die ich in meinem ersten Highschool-Jahr getragen hatte, und musterte sie mit zusammengekniffenen Augen, um zu sehen, ob das Grau auch zu Dads altem Mantel passte. Aus meinem offenen Fenster schwebte die Musik von Hawk Davies und hüllte mich komplett ein, diese coole Stelle von Take Another Train, in dem Davies gerade ein Solo hinschmettert und man im Hintergrund schwach irgendjemandes Entzückensschrei hört: Yeah Hawk yeah, während ich grinsend mein Gesicht in die klare Luft hielt. Es würde heute nicht regnen. Du und ich würden erst zu eurer Fete und dann zu unserem Ball gehen, und das wäre in Ordnung so – sogar außergewöhnlich. Etwas anderes kam mir nicht in den Sinn. Ich sehe noch vor mir, wie glücklich ich war, und ich kann sagen, nicht nur ich – wir beide waren glücklich. Vermutlich suche ich etwas, woran ich mich festhalten kann, egal was.
»Schön, dich so froh zu sehen«, sagte meine Mom. Sie brachte mir dampfend heißen Earl-Grey-Tee heraus. Dabei hatte ich mich innerlich
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