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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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auch singen hören.«
    Lauren konnte wunderbar eine Frau nachmachen, die sie mit zehn auf einem Ferienlager ihrer Kirchengemeinde gehört hatte. »Jesus, du bist meine Wonne…«
    »Schon gut, schon gut, Erbarmen. Ich wollte dich um einen Gefallen bitten.«
    »… meines Lebens Licht und Sonne …«
    »Lauren!«
    »Versprich mir, dass du Al anrufst.«
    »Ja!«
    »Schwöre.«
    »Ich schwöre bei der Petrusstatue deiner Mutter.«
    »Du musst bei etwas schwören, was dir heilig ist!«
    Am liebsten hätte ich deinen Namen gesagt. Oder den von Hawk Davies. »Ich schwöre bei Abgang im Aufzug .«
    »Okay. Gute Wahl übrigens. Also, was brauchst du?«
    »Ich brauche«, sagte ich, »ich brauche eine Einladung zu dir. Zum Übernachten. Am kommenden Wochenende.«
    »Klar«, sagte sie. Und dann: »Oh.«
    »Eben.«
    »Das heißt, du kommst aber nicht.«
    »Eben.«
    »Aber deine Mom …«
    »Sie wird annehmen, dass ich bei dir bin.«
    »Über Nacht«, sagte Lauren. Dann war es still, als wäre die Leitung tot.
    »Du machst es, ja?«
    »Hört sich eher so an, als ob du es machst«, sagte sie.
    »Lauren.«
    »Und noch eins: Wenn ich erwischt werde …«
    »Wirst du nicht«, fiel ich ihr ins Wort.
    »Das sagst ausgerechnet du, Frau Gefängniswärterin!«
    »Du hast dich auch schon mal aus dem Haus geschlichen. Mit mir. Deine Eltern gehen früh schlafen, und morgens gehen sie zur Kirche, bevor normale Menschen aufstehen.«
    »Und wenn deine misstrauische Mom anruft, weil sie im letzten Moment Verdacht geschöpft hat und deine verdächtige Geschichte überprüfen will …«
    »Das wird sie nicht.«
    »Wo finde ich dich, wenn ich dich ganz schnell anrufen muss, damit du bei ihr anrufst, damit ich Idiotin meine Haut retten kann?«
    »Sie würde mich auf dem Handy anrufen.«
    »Und wenn sie schlau wie ein Fuchs ist, Min? Was dann? Wo finde ich dich dann?«
    »Dann rufst du mich an.«
    »Min, du willst, dass ich mich wie eine Freundin verhalte, und das tu ich auch. Aber dann sag deiner Freundin auch, was los ist.«
    »Hm …«
    »Halleluja will ich singen …«
    »Sternchen Ausrufezeichen«, antwortete ich, und dann sagte ich es ihr.
    »Oh«, sagte sie, langsam und mit leicht bebender Stimme, so als täte ihr etwas weh. Autsch. Als würde sie jemanden im Stich lassen. Als würde sie sich auf die Zunge beißen. Als würde sie ein viereckiges Ei aus sich herauspressen. »O Min«, sagte sie schließlich, »ich hoffe nur, du weißt, was du tust.«

     

 
     
    Der Stift gibt langsam den Geist auf. Ich werde ihn bei Leopardi liegen lassen, wenn ich fertig bin – oder doch nicht, warum sollte ich meinen verdammten Müll bei ihnen abladen? Also werde ich ihn in den Karton werfen, wenn ich mit dir fertig bin, so wie in Filmen Räuber, denen die Munition ausgegangen ist, ihre Knarre wegwerfen. Diese letzten blassen Seiten werden ungefähr wie dieses Foto aussehen, ein verschwommenes, fast vergessenes Relikt eines altmodischen Zaubers, der ein Bild von etwas Unklarem, beinahe Legendärem eingefangen hat. Vermutlich hat außer uns nie jemand so ein Ding gemacht, egal, was die Stars behaupten, und auch von unserem ist nur noch diese schwache Spur übrig, an die ich dich nun erinnere, mit letzter Tinte. Es ist, als hätten wir nie irgendetwas miteinander gehabt.
    Wir sind ein paar Haltestellen früher ausgestiegen und haben eingekauft – Eier und billigen Kaviar und diese englischen Gurken und eine große, feste Zitrone. Du hast mir die Geschichte erzählt, wie Joan vor Jahren einmal aus Versehen jede Menge Gurken gekauft hat, als sie Zucchinibrot backen wollte, was mich daran erinnerte, dass ich dich einladen sollte – dich und deinen kompletten Haushalt (O-Ton Mom) –, mit uns Thanksgiving zu feiern. Was Mom sonst noch alles gesagt hatte (wie schwer doch sicher die Feiertage für euch seien), behielt ich für mich, aber ich sagte, Joan könne doch kommen, um mit uns zu kochen. Und ich sagte dir, irgendwann müsse es doch passieren, dass wir mal alle zusammen in einem Raum säßen – du und deine Mom und ich und meine Mom. Ich sagte, vielleicht wäre es ja gar nicht so übel, es könnte ja sogar ganz nett werden. Wir redeten darüber, welche Speisen zu Thanksgiving unbedingt immer auf dieselbe Weise hergestellt werden müssten, die traditionellen eben, und mit welchen man herumexperimentieren dürfe, um sie noch zu verbessern. Wir konnten uns in kaum einem Punkt einigen, und dieses Mal hatte ich ein komisches Gefühl dabei.
    Vielleicht, hast du

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