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43 Gründe, warum es AUS ist

Titel: 43 Gründe, warum es AUS ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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und so tat, als merkte ich nichts. Joe bog mich so weit hintenüber, dass mein BH aufzuspringen drohte und ich eine fleischige Katastrophe fürchtete. Und während der Song laut und frei weiterdröhnte, spürte ich mein Herz, das wild und mutig schlug, meine endlich freien Beine, meine Arme hoch in der herrlichen Luft, die funkelnden Lichter in meinen Augen, meine vom Mitsingen geöffneten Lippen und mein von allen Gedanken leer gefegtes Hirn. Mach, dass es aufhört, war mein Gefühl, mach’s fertig, tritt es in den Arsch mit den spitzesten Stilettos, zerfetz es, zerfleisch es, alles, den Ball und die Fete, diese ganze auf mich einhämmernde Parade, scheiß drauf und lass es hinter dir. Mach es anders, anders als die, für die alle dich halten. Ich habe getanzt, und dann hatte ich’s hinter mir, jedes Fitzelchen, quer über die Tanzfläche bin ich, ohne noch einen Blick zurück, weder zu Joe, der jetzt allein dastand, noch zu Al oder Lauren, Maria, Jordan, zu niemandem, egal wem. Nur dich hatte ich im Blick, das Einzige, was ich behalten wollte. Es war schon spät, der Song ging zu Ende, das letzte Wort war Madness, und sein Echo hallte noch nach – ness-ness-ness –, und dann stand ich vor dir und sah dir in die Augen, die mich verwundert und gierig ansahen. Ich wusste, wer du warst, Ed Slaterton, ich öffnete die Lippen und küsste dich, zum ersten Mal an diesem Abend, ging auf dich los und ergab mich gleichzeitig, vollständig, lass uns hier abhauen, ich bin so weit, ich bin fertig, lass uns nicht Schluss machen, nein, nein. Bring mich heim, mein Freund, mein Liebster.

     

 
     
    Am nächsten Nachmittag trafen wir uns vor dem Blue Rhino , die Sonne stach, und ich schäumte über wie das Zeug, das sie uns später servierten. Ich war ein bisschen zu spät, weil der Club so schwer zu finden war, ich musste kehrtmachen, bog aber an der falschen Ecke ab, fühlte mich wie ausgedörrt, meine Beine bewegten sich wie ein Getriebe, in das Sand geraten ist, der Alkohol hallte in meinem Körper nach wie ein verhasster Ohrwurm. Als wir hineingingen, war ich mir nicht so sicher, wie ich es finden sollte – die Decke war so hoch, dass jeder Ton als Echo zurückkam und auf meinen schmerzenden Kopf einhämmerte, und die Espressomaschine fauchte die ganze Zeit wie eine Wildkatze. Aber die Stühle waren aus kühlem Metall, mit Polstern an den Rückenlehnen, und sobald ich saß, fühlte ich mich versöhnt und verwöhnt. Bleich und mitgenommen sahst du aus, als du uns was zu trinken geordert hast, und dann kam dieses fantastische Getränk. Woher kanntest du das? Woher kam dieses glorreiche Zeug? Ich hab dich nie gefragt, woher du es kanntest oder ob überhaupt, und jetzt werde ich es nie erfahren. Ehrlich gesagt, habe ich so ein Gefühl, dass das Blue Rhino , wenn ich mich mühsam noch einmal dahin durchschlüge, gar nicht mehr existierte. Ich sehe die Szene direkt vor mir: Eine verkohlte Tür vielleicht oder auch eine schmutzverkrustete Backsteinmauer, der jeder ansehen musste, dass sie schon von alters her dort stand und dieser ganze Nachmittag in seiner Sicherheit und Geborgenheit nichts weiter war als ein zurückgenommener Wunsch, ein Traum. Wie in dieser tieftraurigen Szene in See der Seelen, in der Ivan Kristeva alle Geister der Vergangenheit – so heißen sie zumindest in den Untertiteln – wieder aufsucht und wir begreifen müssen, dass sein Glück nichts war als ein Phantom, das nun für immer verschwunden ist, Karten eines Zauberkünstlers, die wieder im Ärmel verschwunden sind, und nur die drei Spielkarten – Herz Sieben, Herz Neun und die Herz Dame – beweisen, dass er die verängstigte, abgesetzte Prinzessin, die nun, zerknittert und von Spinnweben bedeckt, vor dem verblüfften Blick unseres Helden hockt, am Karren des fliegenden Händlers je getroffen hat. Es war ein geheimer Ort, eine geheime Stunde, als du neben mir saßest. Unauffindbar. Aus der Welt.
    Carl Haig, mit Sonnenbrille und in Schale geschmissen – in einem altmodischen Jackett –, musste von einem Mädchen, das ich für seine Tochter hielt, zu seinem Schlagzeug geführt werden, so unsicher war er auf den Beinen. Selbst von unserem Platz in der Ecke aus sah man, wie gealtert und rau seine Hände waren. Ein kurzer Applaus, und schon begann er, sich einzuspielen, probierte herum, schlug mal hier auf die Drums und mal da aufs Becken, um zu sehen, was funktionierte und woran er noch arbeiten musste. Die Tochter trank Wasser aus einem großen Glas,

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