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43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas

Titel: 43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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geringste Ahnung davon hatten, daß ihr Vater im Begriff stehe, ihnen eine Tänzerin als Stiefmutter zu geben, und daß diese Tänzerin heute im Lorettenviertel von Madrid umherschweife.
    „Was tun wir? Werfen wir uns auch in das Gewühl?“ fragte Emanuel.
    „Ja“, antwortete sein Bruder Ferdinando, „aber jetzt noch nicht.“
    „Warum?“
    „Ich will meine Karte von Mexiko vollends fertig machen.“
    „Wie du dich für Mexiko nur so begeistern kannst!“
    „Zürne nicht, mein Bruder! Es ist das mehr als eine bloße Schrulle. Ich fühle eine ganz besondere Zuneigung für dieses ebenso eigenartige wie reiche Land, und da ich der zweitgeborene Sohn bin, so ist es sehr leicht möglich, daß ich den Fuß einmal in das alte Land der Inkas und der Tolteken setze.“
    „Wann wird die Karte fertig sein?“
    „Beim Sonnenuntergang.“
    „Ah, noch zwei volle Stunden! Dies dauert mir viel zu lange.“
    „So gehe einstweilen und hole mich zur Dämmerung ab, wenn man die Larven hervorzusuchen beginnt.“
    „Vielleicht hätte ich da zu weit zu gehen. Willst du nicht lieber zur angegebenen Zeit an den Palast Panadería kommen?“
    „Gut.“
    „Aber vergiß nicht, dein Messer oder deinen Revolver einzustecken; du weißt, daß bei solchen Gelegenheiten ein jeder selbst Polizist sein muß.“
    „Keine Sorge, Emanuel!“
    „Also adieu, Ferdinando!“
    „Adieu!“
    Der fleißige Jüngling trat vom Fenster zurück und bückte sich über seine Arbeit. Das bunte Fenstergetriebe existierte nicht mehr für ihn, und er legte Stift und Pinsel nicht eher wieder weg, als bis er die Karte gefertigt hatte.
    Nun kleidete auch er sich an, und da er bemerkte, daß nach der eigentümlichen spanischen Sitte das Publikum bereits mit Halbmasken versehen war, so streckte auch er eine solche vor und trat darauf zum Waffenschrank.
    „Was wähle ich? Eine Kugel tötet leicht, ein Messer ebenso. Ich nehme meine Boxringe, die sind Schutz genug für einen Boxer von meiner Übung.“
    Damit steckte er die mit eisernen Stacheln versehenen Ringe zu sich und begab sich der Verabredung gemäß zunächst nach dem Palast Panadería, um den Bruder zu finden. Er suchte vergebens und stand schon im Begriff, den Ort zu verlassen, als Emanuel, den er sofort an den Kleidern erkannte, sich durch die Menge Bahn brach.
    „Gut, daß ich dich finde“, sagte dieser. „Um eines Abenteuers willen konnte ich dich nicht hier erwarten. Komme schnell mit, ich erzähle dir unterdessen.“
    Emanuel zog den Bruder mit sich fort, bis das Gewühl ein wenig lichter geworden war, dann begann er:
    „Ich stand dort am Palazzo und wartete auf dich. Da schwebten vier Sylphiden vorüber, eine immer reizender als die andere. Ich folgte ihnen mit den Augen, sie bemerkten es und blieben stehen. Nach einer kurzen Rücksprache untereinander kam eine von ihnen auf mich zu und fragte: ‚Señor, erwarten Sie hier jemand? Vielleicht ein Liebchen?‘ – ‚Nein, vielmehr einen Freund.‘ – ‚Lassen Sie den Freund und kommen Sie lieber mit uns, wohin es Ihnen beliebt.‘ – ‚Sie suchen sich also Caballeros? Von welchem Rang?‘ – ‚Vom höchsten.‘ – ‚Ah, dann schließe ich mich Ihnen an, mache aber die Bedingung, daß wir uns zunächst in der Nähe halten, bis mein Freund kommt.‘ – Darauf wurde sogleich eingegangen, und so promenierte ich mit den vier Damen, bis nach und nach weitere zwei Herren dazukamen. Nun ist nur noch eine der Damen übrig, nämlich die am meisten wählerische, wie mir scheint. Sie wollte bei keinem anbeißen. Versuche nun auch du dein Heil. Du bist ja ein hübscher Junge.“
    „Vielleicht sind es Grisetten!“
    „Nein, sie sind von Familie und machen sich unter der Halbmaske einen Scherz. Komm! Dort an der improvisierten Pulqueschenke stehen sie.“
    „Du hast doch keinen Namen genannt? Auch nicht gesagt, daß wir Brüder sind?“
    „Nein. Ich habe nur von einem Freund gesprochen.“
    „So werden wir ‚Sie‘ zueinander sagen, um auch den letzten Faden zu durchschneiden.“
    Da, wo die Straße breiter wurde, hatte sich eine imitierte Pulqueschenke etabliert. An derselben standen vier Damen und zwei Herren, die den beiden Brüdern entgegensahen.
    „Señoritas und Señores, dies ist mein Freund, den ich erwartete“, sprach Emanuel sie an. „Er verspätete sich, weil er beim russischen Gesandten aufgehalten wurde.“
    Diese wohlberechneten Worte gaben dem Angekommenen einen Nimbus, der nicht ohne Wirkung blieb. Man verbeugte sich

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