43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
doch wäre es vielleicht vorteilhafter, wenn ich diese Sache in die Hand nähme, mein liebes Kind. Man wird dir Schwierigkeiten machen, während mich die Lösung des Kontraktes wohl nur ein Wort kostet.“
„Ich sagte dir bereits, daß es mir geradezu eine Ehrensache ist, dich nicht mit Bühnenverhältnissen zu belästigen. Du sollst mich erst dann bekommen, wenn ich frei von diesem Staub bin, mein lieber Manfredo.“
„Eigentlich muß ich dir für diese zarte Rücksichtnahme dankbar sein“, gestand er zu. „Aber wirst du die Reise auch wirklich aushalten können?“
„Ohne Zweifel!“
„So wirst du mir erlauben, für das Pekuniäre Sorge zu tragen.“
„Nur, um dir ein Vergnügen zu machen, mein Lieber. Ich bin nicht arm.“
„So nimmst du eine Anweisung an meinen Bankier an?“
„Ja.“
„Und wann reist du?“
„Morgen. Je eher ich aufbreche, desto eher kehre ich zu dir zurück, mein Geliebter.“
Die Ballerina umschlang den Grafen zärtlich und küßte ihn auf den ergrauten Bart. Er war so glücklich und hatte keine Ahnung davon, daß sie gar keinen Kontrakt mit dem Theater in Madrid abgeschlossen hatte, sondern nur deshalb die Residenz besuchte, um vor ihrer Vermählung noch eine kurze Zeit mit ihren früheren Freundinnen in Lust und Schwelgerei zu verbringen. Gerade in Madrid hatte sie ja die wildeste Zeit ihres Lebens verbracht. In den dunklen und verrufenen Gäßchen dieser Hauptstadt hatte sie auch Henrico Cortejo und den Herzog von Olsunna kennengelernt.
„Soll ich dich in der Hauptstadt abholen?“ fragte der Graf.
„Nein, mein Lieber. Ich werde nur kurze Zeit dort verweilen.“
„Ich möchte dich bitten, meine Söhne mit zu besuchen.“
„O nein, das möchte ich nicht tun. Jetzt bin ich noch im Engagement. Sie sollen mich erst dann sehen, sobald ich nichts anderes mehr bin als nur die Eurige.“
„So wirst du mich hier abholen?“
„Ja.“
„Dann verweile nicht gar zu lange, meine Geliebte, denn ich werde dich mit großer Sehnsucht erwarten. In einer Woche sind meine Arbeiten beendet.“
„Dann bin ich bereits wieder bei dir.“
Fast zu derselben Zeit wurde im Palais des Herzogs von Olsunna auch von Madrid gesprochen. Der Herzog saß in seinem Sessel, und bei ihm befand sich Gasparino Cortejo, sein Haushofmeister.
„Ja“, sagte der erstere. „Wir haben jetzt verdammtes Pech.“
„Es muß ertragen werden!“
„Da letzthin der Skandal wegen der deutschen Hauslehrerin und wegen deiner Zarba oder wie diese kleine Zigeunerin hieß.“
„Ich denke nicht mehr an sie!“
„Das glaube ich dir! Und jetzt wird mir wieder diese grandiose Ballerina weggekapert.“
„Das ist freilich unangenehm. Dieser Rodriganda konnte Besseres tun, als sich auf diese Weise an seinem grauen Haar zu versündigen!“
„Na, für Hirschgeweihe wird man wohl sorgen! Und dein Adonis-Vater auch mit.“
„Fällt ihm nicht ein!“
„Leugne nicht! Ich habe mir sagen lassen, daß er um die Ballerina herumgelaufen ist, leider aber ohne erhört zu werden. Hahahaha! Ein Sachwalter, der mit dem Herzog von Olsunna in die Schranken tritt. Ich hätte ihn für gescheiter gehalten.“
„Ich nicht“, sagte der Sohn, der recht wohl wußte, daß sein Vater dem Herzog den Rang abgelaufen hatte.
Der letztere fuhr fort:
„Nun ist eine tote Zeit eingetreten. Wie bringt man diese am besten hin? Willst du nicht einiges vorschlagen?“
„Wenn es auf mich ankäme, ich reiste nach Madrid. Der König von Portugal kommt auf Besuch; da gibt es Festlichkeiten und manches Schaugepränge, mit dem man sich die Zeit vertreibt.“
„Nicht übel. Wann kommt der König?“
„Sonnabend.“
„So reisen wir zusammen, und zwar schon morgen.“
So war mit leichtem Sinn eine Disposition getroffen worden, die für die Betreffenden nur verhängnisvoll werden sollte.
Als die Ballerina Madrid erreicht hatte, stieg sie in einem der ersten Hotels ab, denn sie besaß die Mittel dazu, vertiefte sich aber gar bald in die engen Gäßchen des südwestlichen Stadtteiles, in denen man des Abends kein ehrbares Frauenzimmer zu treffen vermag. Hier suchte sie sich frühere Bekannte zusammen, um die Dispositionen zu ihren zweifelhaften Belustigungen zu entwerfen. –
Am Tag des Königsempfangs blickten aus einem Palast der herrlichen Straße de la Almudena Platerías zwei hübsche, frische Jünglingsgesichter auf das Menschengewühl herab. Es waren die beiden Brüder Emanuel und Ferdinando de Rodriganda, die nicht die
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