43 - Waldröschen 02 - Der Schatz der Mixtekas
Pferden verschwunden sei, hätte niemand es vermocht, die drei Flüchtigen einzuholen. –
Unterdessen hatte sich auf der Hacienda nichts wesentlich geändert. Die Spuren des Kampfes waren längst verwischt, und es ging alles nach seinem gewöhnlichen Gang.
Der Zustand des Deutschen war nur insofern ein anderer geworden, als der Patient das Lager verlassen hatte. Er lebte still und tiefsinnig vor sich hin, und wenn er einmal etwas sagte, so waren es nur die Worte: „Ich bin erschlagen worden!“
Eines Tages saß er auch so dumpf vor sich hinbrütend am offenen Fenster, und Emma lehnte an ihm, den Blick in träumerischer Trauer nach Süden gerichtet, da erblickte sie fünf dunkle Punkte, die sich in großer Eile näherten, und bald sah sie, daß es zwei Reiter und eine Reiterin mit zwei Packpferden seien. Endlich erkannte sie die beiden Häuptlinge mit ihrer alten Freundin Marie Hermoyes, und mit einem Jubelruf sprang sie auf, um ihnen entgegenzueilen.
Ihr Ruf war auch von anderen gehört worden, und als sich die Angekommenen vom Pferd schwangen, waren bereits sämtliche Bewohner des Hauses bei ihnen versammelt. Sie wurden mit Freuden empfangen, und besonders Emma führte ihre treue Marie förmlich im Triumph nach dem Salon, wohin auch die Häuptlinge kamen, um dort Rede und Antwort zu stehen.
„Nun, wie ist es gegangen?“ fragte Pedro Arbellez.
„Wir haben die Skalpe der Comanchen“, entgegnete ‚Büffelstirn‘.
„Und der Graf?“
„Graf Ferdinando ist gestorben!“
Pedro und seiner Tochter entfuhr ein Ruf des Schrecks.
„Tot! Ist's wahr?“ fragte der erstere.
„Ja“, antwortete die Amme. Und dann erzählte sie den ganzen Verlauf der Sache, soweit sie ihn kannte.
„So ist also Alfonzo Nachfolger?“ fragte Emma.
„Ja. War er noch nicht hier?“
„Will er denn nach der Hacienda kommen?“ erkundigte sich Arbellez.
„Ja“, antwortete die Amme in dringendem Ton. „Wenn er noch nicht hier war, so ist er doch bereits unterwegs, und zwar mit einer ganzen Schwadron Lanzenreiter.“
„Was sollen diese?“
„Ihr sollt sofort vertrieben werden.“
„Ich? Ah!“ sagte Arbellez mit stolzem Lächeln. „Das soll ihnen schwer werden.“
„Wir beschützen unsere weißen Brüder“, erklärte der Apache.
„Wir holen die Ciboleros und Vaqueros zusammen“, meinte ‚Büffelstirn‘.
„Ich danke euch“, entgegnete ihnen der Haziendero. „Ich werde eure Hilfe vielleicht brauchen, aber ich habe noch eine andere Waffe.“
„Welche?“
„Das werdet ihr später genauer erfahren. Können die Soldaten bald kommen?“
„Sehr bald!“ erklärte die besorgte Amme. „Alfonzo hat Mexiko zwei Tage vor uns verlassen. Er will die Lanzenreiter in Durango holen.“
„So will ich meine Leute schnell zusammenrufen!“
Der Haziendero verließ rasch das Zimmer, und gleich darauf hörte man ein Signal weithin über die Felder und Weiden schallen. In nicht ganz einer Viertelstunde waren gegen vierzig Ciboleros und Vaqueros zusammen, und es war, als hätte es nicht anders sein sollen, denn kaum hatte sich das starke Hoftor hinter ihnen geschlossen, so sah man eine dunkle Wolke von Reitern angesprengt kommen, über der ein Wald spitzer Lanzen empor starrte.
„Da sind sie schon!“ rief Arbellez. „Verhaltet euch still, ich werde sie empfangen.“
Die Schwadron kam herangebraust und hielt draußen vor dem Tor. Der Graf war mit den Offizieren an der Spitze geritten. Er klopfte an das Tor. Arbellez trat hinzu und fragte von innen, was man begehre.
„Öffnet!“ gebot Alfonzo.
„Wem?“
„Mir, dem Besitzer dieser Hacienda.“
„Wer seid Ihr?“ fragte Arbellez, der mit Absicht den Guckschieber nicht geöffnet hatte.
„Graf Alfonzo de Rodriganda.“
„Der die Damen überfällt? Ah, ich kenne keinen Grafen de Rodriganda, der Herr dieser Hacienda ist. Ich werde es Euch beweisen. Wartet einen Augenblick.“
Arbellez schritt über den Hof zurück und trat in das Haus, um bald darauf mit einem großen Pergament zurückzukehren.
„Legt die Gewehre an“, gebot er, „aber schießt nicht eher, als bis ich es euch befehle!“
Sofort bildeten die halbwilden Rinderhirten zu beiden Seiten des Tores ein dichtes Spalier, mit ihren Büchsen nach dem Eingang gerichtet. Diesem gegenüber stand der Haziendero und hinter ihm die beiden Indianerhäuptlinge, das Gewehr bei Fuß.
„Öffnet!“ gebot Arbellez.
Der tapfere Ferdinando, der dem Tor am nächsten stand, öffnete nun dasselbe, und sofort
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