44 - Waldröschen 03 - Der Fürst des Felsens
groß genug! Famoses Geäst! Echt deutsche Eiche, auf Ehre!“
„Nehmen Sie den langen Ast, der rechts am weitesten hervorsteht.“
„Gut.“
„Ein Zweig geht von ihm abwärts?“
„Sehe ihn!“
„An seiner Spitze sind drei Blätter, und auf dem mittelsten sitzt ein Eichapfel.“
„Unmöglich! Wer kann Eichapfel sehen so weit! Mein Auge ist kein Riesenteleskop, auf Ehre!“
Auch die anderen Herren sahen nichts. Den Zweig konnten sie wohl erkennen, aber die drei Blätter und gar der Apfel waren für sie nicht zu unterscheiden.
„Sie sehen wirklich den Apfel, Doktor?“ fragte der Graf.
„Ja, ganz genau.“
„Mirakulös, ganz vehement mirakulös!“
„Ich habe Prärieaugen.“
„Hm, ja! Und diesen Apfel wollen Sie schießen?“
„Ja.“
„Unmöglich! Ganz und gar unmöglich. Diese Distanz und dieses Objekt! Bringen es nicht fertig, Doktor!“
Sternau nahm aber doch den Bärentöter vor und wandte sich an den Großherzog:
„Wollen Hoheit die Güte haben, sich in die Nähe des Baumes zu begeben, bis der Eichapfel zu sehen ist? Auf ein Zeichen werde ich ihn herabholen.“
„Halt“, sagte da der Oberförster, „ich habe ja ein Fernrohr und auch einen Operngucker.“
Diese Instrumente wurden herbeigeholt, und dann verließen auch die Herrn den Hof, um sich nach der Eiche zu begeben. Da trat Ludewig heran und fragte:
„Sehen Sie wirklich den Apfel, Herr Doktor?“
„Ja, aber nur als kleinen, dunklen Punkt.“
„Und Sie werden ihn treffen?“
„Den Apfel nicht direkt, denn sonst fehlt mir der Beweis. Ich werde das Blatt herabschießen, an welchem er sich befindet.“
„Wenn Ihnen das gelingt, so haben Sie den Teufel, gerade wie der Kurt dahier!“
Nach einiger Zeit erscholl ein lauter Zuruf, Sternau nahm die Büchse empor, frei in die Hand und ohne anzulegen, zielte sehr sorgfältig, setzte auch ein und zwei Mal ab, denn es galt, einen Meisterschuß zu tun, aber endlich krachte der Schuß.
Dann setzte er die Büchse ab, warf einen scharfen Blick nach der Eiche und lächelte befriedigt.
„Getroffen?“ fragte Ludewig.
„Ja.“
„Und ich habe nicht einmal das Blatt geschweige denn den Apfel gesehen dahier!“
Eine Minute lang blieb alles ruhig, dann aber ließ sich von draußen ein Jubelruf vernehmen, und die Herren kehrten zurück. Ihnen voran eilte Graf Walesrode. Er hatte das Blatt und hielt es in die Höhe.
„Getroffen!“ rief er von weitem. „Famoser Kerl! Noch nie gesehen. Das Blatt Ihr Eigentum natürlich!“
Sternau zuckte die Achsel.
„Wollen Sie das Blatt verkaufen? Kostbares Blatt! Viel Effekt damit machen! Zahle jeden Preis, auf Ehre!“
„Pah, ich verkaufe kein Blatt, Graf.“
„So wollen behalten?“
„Nein. Wenn es Ihnen Vergnügen macht, so bewahren Sie es auf, es mag ein kleines Andenken sein an den Mann, dem Sie nicht glaubten, daß er der ‚Fürst des Felsens‘ sei.“
„O, Pardon, mein Lieber! Müssen verzeihen, auf Ehre, müssen verzeihen! Sind ja Freunde!“
Da trat der Großherzog an Sternau heran und streckte ihm die Hand entgegen. „Doktor“, sagte er, „Sie sind ein ganz außerordentlicher Mann. In allem, was Sie einmal begonnen haben, sind Sie Meister. Ich muß Sie näher kennenlernen. Wollen Sie mich morgen auf Schloß Kranichstein besuchen?“
„Ich stehe zu Befehl, Hoheit.“
„Nein, nicht zu Befehl. Sie sollen mir einen Gefallen tun, das nur ist es. Nicht als Fürst will ich Sie empfangen. Aber nun haben wir die Damen genug vernachlässigt. Lassen wir uns diese Sünde gut machen. Vorher aber, Doktor, zeigen Sie mir Ihr Zimmer. Ich muß wissen, wie ein solcher Mann wohnt und arbeitet.“
Sternau verbeugte sich zustimmend und führte den Großherzog nach seiner Wohnung. Die anderen Herren aber kehrten in den Saal zurück.
Nach einiger Zeit erschien daselbst Sternau, um die Großherzogin und Rosa de Rodriganda mit sich zu nehmen. Später wurden der Staatsanwalt und Frau Sternau geholt. Es mußte eine wichtige Unterhaltung geben, denn es währte wohl über eine Stunde, ehe die Herrschaften wieder erschienen. Als sie zurückkehrten, bemerkte man, daß Rosa geweint hatte, und auch die Lider der Großherzogin Mathilde waren gerötet.
Nun ließ der Großherzog nach Kurts Eltern schicken, die ihren Sohn mitbringen sollten. Die braven, einfachen Leute wurden von dem Fürsten mit außerordentlicher Huld empfangen.
„Sie sind Seemann?“ fragte er Helmers.
„Ja, Hoheit.“
„Und haben es bis zum Steuermann
Weitere Kostenlose Bücher