45 - Waldröschen 04 - Verschollen
der Oberst zornig. „Das ist mir allerdings sonderbar zu hören. Wissen Sie, daß Sie sich damit Ihren Kameraden feindlich gegenüberstellen? Oder glauben Sie vielleicht, daß man es unbeachtet vorübergehen lassen wird, daß Sie ein räudiges Schaf in Ihren Schutz nehmen?“
„Ich habe erwähnt, daß Leutnant Helmers sich meine Achtung und Freundschaft erworben hat, und ich muß daher bitten, in meiner Gegenwart Vergleichungen, wie die letztere ist, gütigst zu vermeiden. Helmers scheint mir nicht einem Schaf, sondern einem ganz anderen, edlen Tier vergleichbar zu sein, mit dem nicht zu spaßen ist. Übrigens habe ich mir nur auf seine Veranlassung erlaubt, Ihnen meinen Besuch zu machen.“
„Ah, doch nicht etwa als Kartellträger?“
„Allerdings als solcher.“
„Donnerwetter, er wagt es also wirklich, mich zu fordern?“
„Ich habe in seinem Auftrag um Satisfaktion zu bitten.“
„Das ist höchst unvorsichtig von Ihnen! Wissen Sie, daß ich Ihr Vorgesetzter bin?“
Diese letztere Frage war in einem sehr drohenden Ton gesprochen; Platen jedoch antwortete freimütig:
„In dienstlicher Beziehung bin ich Ihnen untergeben, in Ehrensachen aber hoffe ich, einem jeden gleichzustehen. Drohungen muß ich streng zurückweisen. Mein Freund verlangt Genugtuung und hat mich gebeten, meine Vereinbarungen mit Ihnen zu treffen.“
Der Oberst schritt erregt im Zimmer auf und ab; er sah sich in eine weit mehr als unangenehme Lage gebracht, aus welcher es nur einen höchst zweifelhaften Ausweg gab. Er betrat denselben, indem er erklärte:
„Ich schlage mich nur mit einem Edelmann.“
„Sie betrachten Helmers nicht als einen Kavalier?“
„Nein.“
„Und verweigern ihm also die Genugtuung?“
„Ich verweigere sie.“
„So werde ich auf seine Anweisung hin mich zum Major von Palm begeben, welcher der Ehrenrat unseres Regimentes ist und ein Ehrengericht berufen wird, um zu bestimmen, ob mein Freund nicht satisfaktionsfähig ist. Da der Dienst für heute beendet ist, so wird dieses Ehrengericht noch im Laufe des Nachmittags zusammentreten können, und ich hoffe, daß es im Sinne meines Freundes entscheiden wird. Adieu!“
Er ging, aber kaum hatte er den Obersten verlassen, so verließ auch dieser seine Wohnung, um bei den Mitgliedern des Ehrengerichtes die geeigneten Schritte zu tun, das Duell zu hintertreiben.
Platen suchte zunächst den Leutnant von Ravenow auf. Dieser empfing ihn in einer sehr gemessenen Haltung und fragte:
„Was verschafft mir die Ehre, deines Besuches, Platen?“
„Die Ehre meines Besuches? Hm, so fremd und zeremoniell!“
„Allerdings. Du bist zum Feind übergegangen; ich kann mit dir nur noch im Ton kühlster Höflichkeit verkehren und bitte, dich desselben zu befleißigen.“
Platen verbeugte sich und antwortete:
„Ganz, wie du denkst. Wer einen Unschuldigen gegen das Vorurteil verteidigt, muß auf alles gefaßt sein. Ich werde dich übrigens nicht lange belästigen, da mich nur die Absicht herbeiführt, dir die Wohnung meines Freundes Helmers mitzuteilen.“
„Ah! Wozu?“
„Ich denke, daß du sie wissen mußt, um ihm irgendeine dringende Mitteilung machen zu lassen.“
„Du hast es erraten. Übrigens brauche ich seine Wohnung wohl nicht zu wissen, denn ich vermute mit Recht, daß du seine Vollmacht hast.“
„Allerdings. Er stellt sich dir durch mich zur Verfügung.“
„Das genügt. Golzen wird mir sekundieren. Welche Waffe wählt dein sogenannter Freund?“
„Er überläßt die Wahl dir.“
Das Auge Ravenows leuchtete grimmig auf.
„Ah“, sagte er, „fühlt er sich so sicher? Er tut ja, als ob er Meister aller Waffen sei! Hast du gesagt, daß ich der beste Fechter des Regimentes bin?“
„Nein.“
„Warum nicht?“
„Weil ich ihn damit beleidigt hätte. Übrigens fürchtet er sich nicht vor dir; er hat es ja bewiesen, wenn ich mich nicht irre.“
„Pah, das war Überraschung! Es gilt also, was ich wähle?“
„Ganz bestimmt.“
„Nun wohl, so soll er sich in mir verrechnet haben. Ich habe mich längere Zeit mit einem Tscherkessen geübt, welcher Meister der orientalischen Hiebwaffen war. Ich wähle krummen, türkischen Säbel, oben stark und schwer und unten ohne Parierstange, das beste Instrument zum Kopf absäbeln.“
„Bist du des Teufels“, rief Platen entsetzt. „Diese Waffe ist ja hier nicht gebräuchlich.“
„Er hat mir die Wahl gelassen; es bleibt dabei!“
„Aber es gibt ja gar keine Handschars oder Yatagans, oder wie
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