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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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waren ihnen die Hände und Füße so mit festen Tauen zusammengebunden, daß sie den Gebrauch der Glieder vollständig verloren hatten.
    Landola kam mit einer Laterne zu ihnen in den selbst am hellen Tag vollständig dunklen Raum, und er fand da, daß sie alle sich von der Besinnungslosigkeit bereits wieder erholt hatten. Er untersuchte jeden einzelnen und setzte sich dann Sternau gegenüber, der ihn auf den ersten Blick erkannt hatte und nun wußte, daß von diesem Menschen nichts Gutes zu erwarten sei.
    „Señor Sternau, erkennen Sie mich?“ fragte er höhnisch.
    Der Gefragte antwortete nicht. Er tat, als ob er seine Gegenwart ganz und gar nicht bemerkt habe.
    „Ah, Sie spielen den Stolzen?“ lachte Landola. „Nun, das muß ich mir gefallen lassen! Da mich aber die anderen Señores wohl noch nicht gesehen haben, so will ich Ihnen sagen, daß ich Henrico Landola bin, der Kapitän der berühmten ‚Péndola‘. Man nennt mich auch zuweilen Kapitän Grandeprise vom Piratenschiff ‚Lion‘. Nun habe ich mich Ihnen vorgestellt und hoffe, Ihnen bekannt zu sein. Antworten Sie!“
    Aber keiner von allen sprach ein Wort.
    „Gut“, meinte der Seeräuber. „Ich bin überzeugt, daß Ihnen nur die Angst die Sprache geraubt hat; darum will ich nachsichtig sein. Doch nehme ich an, daß Ihnen wenigstens das Gehör geblieben ist, und so will ich Ihnen mitteilen, was ich für Absichten mit Ihnen verfolge.“
    Er ließ den Blick von einem zum anderen schweifen und bemerkte, daß ihn auch jetzt noch keiner anblickte. Er nickte mit einem boshaften Lächeln und fuhr fort:
    „Ich habe den Auftrag erhalten, Sie alle unschädlich zu machen, indem ich Sie töte; Sie sind endlich in meine Hand gegeben, und ich könnte Sie mit leichter Mühe töten. Ich habe jedoch beschlossen, dies nicht zu tun, nicht etwa aus Mitleid, denn dies wäre eine Schwäche, welche Henrico Landola nicht kennt, sondern aus einer einfachen Berechnung, welche sich ganz von selbst ergibt.“
    Er warf abermals einen forschenden Blick auf sie, aber er bemerkte nicht die mindeste Miene, daß einer auf seine Mitteilung gespannt oder neugierig sei. Er setzte also seine Mitteilung nach einer kurzen Pause fort:
    „Ich habe nämlich, wenn ich Sie unschädlich mache, auf einen großen Lohn zu hoffen. Es ist aber sehr leicht möglich, daß man mir diesen Lohn verweigert, sobald man bemerkt, daß ich meinen Auftrag wirklich ausgeführt habe. In diesem Fall hätte ich keine Zeugen. Lasse ich Sie aber leben, obgleich ich Sie verschwinden lasse, so steht es mir später zu jeder Stunde frei, Sie wieder erscheinen zu lassen. Dadurch wird mein Auftraggeber gezwungen, mir meinen Lohn auszuzahlen. Erhalte ich ihn, so bleiben Sie verschollen für alle Ewigkeit, verweigert man ihn mir aber, so hole ich Sie ab und gebe Sie unter der Bedingung frei, daß ich meine Bezahlung dann von Ihnen erhalte und natürlich meine Begnadigung dazu.“
    Er sprach in so geschäftsmäßigem Ton, als ob es sich um einen geringfügigen Handel und nicht um das Lebensglück so vieler Menschen handle. Er fuhr fort:
    „Sie sehen, daß ich Ihnen ganz und gar nicht gefährlich werden will, ja, daß Sie unter Umständen sogar später auf Ihre Befreiung rechnen können. Darum denke ich aber auch, daß Sie vernünftig und dankbar sein werden. Unter dieser Dankbarkeit verstehe ich besonders ein verzichten auf jeden Versuch, sich zu befreien. Er würde nur zu Ihrem eigenen Schaden ausfallen. Auch die beiden Señoritas sind gefangen. Man wird sie anständig behandeln, ebenso, wie man Sie nicht unnötigerweise quälen wird; aber ein jeder Rettungsversuch der einen Partei, ich gebe Ihnen mein heiliges Wort, kostet der anderen das Leben. Droht mir von Ihnen Beschwerde oder gar Gefahr, so töte ich die Damen, sind mir aber diese ungehorsam, so lasse ich Sie umbringen. Merken Sie sich das!“
    Er hielt inne, um den Eindruck zu beobachten, welchen seine Worte auf sie gemacht hatte; aber sie lagen noch immer so regungslos wie vorher und gaben keinen Laut von sich, der ihm hätte vernehmen lassen, welchen Erfolg er erreicht hatte. Darum sagte er zum Schluß:
    „Ich teile Ihnen endlich noch mit, daß Sie so liegen bleiben werden wie jetzt, und daß täglich unter meiner Aufsicht jemand kommen wird, um für einen Augenblick Ihre Hände zu befreien, damit Sie essen und trinken können, sowie auch das übrige, was unumgänglich nötig ist. Jetzt wissen Sie genug. Vergessen Sie nicht, daß Sie es mit einem Mann zu tun

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