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45 - Waldröschen 04 - Verschollen

45 - Waldröschen 04 - Verschollen

Titel: 45 - Waldröschen 04 - Verschollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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haben, der den kleinsten Ungehorsam mit dem Tod bestrafen wird. Gute Nacht!“
    Er nahm seine Laterne auf, ging und verschloß die Luke, deren schwere eiserne Riegel sie rasseln und klirren hörten.
    Einige Minuten lang blieb in dem dumpfen, feuchten Raum alles ruhig. Man hörte nur die Ratten, welche auf jedem dieser Art Schiffe besonders im Ballastraum zahlreich zu finden sind, hin und her springen. Dann vernahm man die Stimme des Apachen, welcher nur das eine Wort ausstieß:
    „Uff!“
    „Uff!“ antwortete nach einer Weile ‚Büffelstirn‘, der Häuptling der Mixtekas. Wieder trat eine Stille von der Länge von vielleicht fünf Minuten ein, dann fragte Mariano Sternau, welcher sein Nachbar war:
    „Was sagst du dazu, Carlos?“
    „Nichts!“ lautete die ernste Antwort. „Oder könnte es dir vielleicht noch während der Nacht gelingen, dich von der Kette frei zu machen?“
    „Unmöglich! Sie ist zu fest. Überdies sind wir ja auch an Händen und Füßen zugleich gefesselt.“
    „Nun, so müssen wir uns fügen!“
    Er sagte diese Worte mit ruhiger Stimme, aber das Knirschen seiner Zähne verriet, was in ihm vorging. Sie alle waren Männer, welche dem Tod und allen Gefahren kühn in das Angesicht geschaut hatten; sie waren nicht gewohnt, zu lamentieren, denn sie wußten, daß es nur bei klarem Geist und ruhiger Sammlung möglich sei, sich aus Fährlichkeiten zu retten. Dennoch aber kochte es wohl in einem jeden von ihnen, obgleich sie zu stolz waren, dies äußerlich merken zu lassen. Erst nach einer längeren Weile sagte ‚Büffelstirn‘:
    „Dieser Räuber ist verloren, wenn er Karja, der Schwester des Häuptlings der Mixtekas, nur ein Haar ihres Hauptes krümmt!“
    Der berühmte Jäger dachte nicht an sich, sondern nur an seine Schwester.
    „Er würde die größten Martern erleiden“, stimmte der Apache bei, der auch nicht an sich dachte, sondern an das Mädchen, welches er liebte, trotzdem ihr Herz auf eine kurze Zeit für den falschen Rodriganda geschlagen hatte.
    Es war das von den beiden so stolz und selbstbewußt gesprochen, wie es sich für Indianerhäuptlinge geziemt. Sie waren gefangen, sie hatten nicht die kleinste Hoffnung, sich von ihren Fesseln befreien zu können, und dennoch drohten sie dem Feind und sprachen davon, daß sie ihn bestrafen würden. Helmers, der berühmte ‚Donnerpfeil’, tat ganz so wie sie.
    „Der Teufel soll sie holen, wenn sie nur die kleinste Unhöflichkeit gegen Emma begehen!“ sagte er. „Wir werden in diesem verdammten Schiff nicht umkommen, und dann werden wir ja sehen, was zu tun ist.“
    Sternau, welcher immer an das zunächst Wichtige dachte, fragte ihn:
    „Wie sind Sie überwältigt worden? Durch einen Griff um die Gurgel oder durch einen Hieb?“
    „Man drosselte mich“, antwortete der Gefragte.
    „So können Sie von Glück reden. Ein Hieb auf Ihre Kopfwunde hätte Sie getötet. Übrigens wollen wir jetzt nicht klagen und drohen, sondern einmal allen Ernstes versuchen, ob denn wirklich keiner seinen Ketten gewachsen ist. Mich hat man ganz besonders bedacht; ich bin doppelt so stark gefesselt als ihr. Sonst würde es mir wohl gelingen, das bißchen Eisen abzudrehen.“
    Sie folgten seinem Vorschlag. Durch das Dunkel des Raumes hörte man jetzt nichts, als ein angestrengtes Klirren, Zerren, Drehen und Schrauben an den Ketten, aber sie alle mußten den Versuch als nutzlos aufgeben.
    „Es ist nichts“, sagte Mariano. „Wir müssen auf einen Zufall rechnen.“
    „Das werden wir kaum dürfen. Dieser Mensch wird noch während der Nacht mit uns in See gehen“, antwortete Sternau. „Sind wir bis dahin noch nicht frei, so bleiben wir seine Gefangenen, bis es ihm beliebt, uns zu ermorden oder an einer wüsten, unbewohnten Insel auszusetzen, wie aus seinen Worten ja hervorgeht. Unterwegs hätten wir nicht nur mit ihm und seinen Leuten, sondern auch mit den Elementen zu kämpfen. Die Fesseln sprengen wir nicht. Es gäbe höchstens die eine Möglichkeit, daß es den Damen gelänge, uns auf irgend eine Weise ein Werkzeug zuzustellen, mit welchem wir die Ketten lösen können. Das aber ist wohl unmöglich. Und wäre es möglich, so werden sie es nicht wagen, da ja ein solcher Versuch mit unserem Tod bedroht worden ist. Berücksichtigen wir zunächst, daß wir nicht getötet werden sollen. Auch ich denke an mein Weib, an alle meine Lieben, aber ich halte es für das Beste und unser Würdigstes, diese neue Prüfung mit Festigkeit zu tragen. Halten wir den Mut

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