45 - Waldröschen 04 - Verschollen
jeder dieser Kerle nimmt es mit einigen von uns auf.“
„Pah, wir überrumpeln sie einzeln. Man wird das nicht schwer zu bewerkstelligen wissen. Sternau ist der gefährlichste, er muß zunächst unschädlich gemacht werden.“
„Aber doch erst dann, wenn die beiden Indianer das Schiff verlassen haben?“
„Sie werden es gar nicht verlassen, sondern auch mit gefangen werden. Ich bin dazu gezwungen, damit später kein Mensch weiß, auf welche Weise die Gesellschaft verschwunden ist. Haben wir uns ihrer bemächtigt, so segeln wir nach Westen. Ich kenne eine einzelne Insel, welche so ganz und gar verloren in der See liegt, daß kein Schiff in ihre Nähe kommt. Dort setzen wir sie aus. Sie können sich erhalten, denn es gibt Quellwasser und Früchte genug für sie. Es wird ein jeder Fluchtversuch vergebens sein, und so bleiben sie unsere Gefangenen entweder auf Lebenszeit, oder bis ich vielleicht Gründe finde, ihrer zu bedürfen.“
„Wo liegt die Insel?“
„Sie liegt weit von jedem Schiffahrtskurs entfernt unter dem vierzigsten Grad südlicher Breite auf der Höhe der Osterinseln und ist ein sichereres Gefängnis, als eine von den stärksten Mauern umgebene Bastille. Sie hat noch keinen Namen und besteht aus Korallen. Die auf ihr vorhandenen Bäume sind nicht so groß, daß man ein Schiff bauen könnte, und selbst wenn dies den Gefangenen gelänge, so würden sie mit einem so unvollkommenen Fahrzeug nicht durch die fürchterliche Brandung kommen, welche Tag und Nacht sich an den Korallenriffen bricht.“
„Aber wir werden zu viele Zeuge haben. Ein jeder einzelne von unseren Leuten kann später das Geheimnis ausplaudern!“
Der Kapitän warf seinen Steuermann einen mitleidigen Blick zu und sagte dann langsam und mit Nachdruck:
„Wir werden keinen Zeugen haben, denn wir beide werden die einzigen sein, welche von dieser Fahrt zurückgekehrt, lebendig das Schiff verlassen.“
Das war sehr deutlich gesprochen. Der Steuermann schauderte. Wie nun, wenn der Kapitän gar keinen Zeugen haben wollte und infolgedessen auch ihm das Leben nahm? Er beschloß, sehr vorsichtig zu sein.
Gegen Abend kamen die Passagiere an Bord und wurden mit der größten Zuvorkommenheit aufgenommen. Sie erhielten eine sehr reichliche Abendmahlzeit serviert, welche in der Kapitänskajüte eingenommen wurde. Während derselben stellte sich Landola ein, und sofort begann das Werk.
Es war sehr finster, und zugleich lag ein so dichter Nebel auf dem Wasser, daß man nicht drei Schritte weit zu sehen vermochte. Einige der stärksten Matrosen stellten sich am Gangspill auf, und dann ging ein anderer hinab zur Kajüte, wo er von dem angeblichen Kapitän, also dem Steuermann, mit verstellter Barschheit angeredet wurde:
„Was hast du hier in der Kajüte zu suchen, he?“
„Verzeihung, Señor Capitano“, entschuldigte sich der Mann. „Es kam jetzt in einem Boot ein Fremder, welcher mit Señor Sternau sprechen will.“
„Mit mir?“ fragte Sternau.
„Ja.“
„Wer ist er?“
„Er sagte, daß er der Wirt sei, bei dem Ihr gewohnt habt. Er hat Euch unter vier Augen eine notwendige Mitteilung zu machen.“
„Gut, ich komme.“
Er erhob sich und folgte dem Matrosen, der ihn auf das Deck führte. Als sie an dem Gangspill vorüberkamen, fühlte er plötzlich zwei Fäuste an seiner Kehle, und zu gleicher Zeit erhielt er mit einer Handspeiche einen solchen Hieb auf den Kopf, daß er besinnungslos zusammenbrach, ohne nur einen Laut ausgestoßen zu haben.
„Der ist expediert!“ lachte Landola halblaut. „Bindet ihn und schafft ihn hinunter in den Raum. Dann holen wir zunächst den einen Indianer, der in Büffelleder gekleidet ist. Er scheint mir nach Sternau der Stärkere zu sein.“
Nach einiger Zeit erschien der Matrose wieder in der Kajüte und sagte ‚Büffelstirn‘, daß er einmal hinauf zu Señor Sternau kommen solle. Er folgte dem Führer nichtsahnend und wurde ebenso widerstandslos niedergemacht. Nach kaum zwei Minuten kam ‚Bärenherz‘ an die Reihe und erlitt das gleiche Schicksal. Da stand Mariano auf und sagte:
„Das sieht ja ganz aus, wie eine sehr wichtige Neuigkeit, von welcher man nichts wissen soll. Ich werde mich einmal erkundigen.“
Er stieg die Kajütentreppe empor. Die beiden Brüder Helmers, welche nun mit den zwei Damen und dem angeblichen Kapitän allein am Tisch saßen, hörten seine sich entfernenden Schritte und warteten vergeblich auf seine Rückkehr. Da verließen auch sie die Tafel und versprachen
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