46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
noch fünf Tage zu reiten, ehe ich Chihuahua erreiche. Also du warst bereits einmal in diesem Fort Guadeloupe?“
„Bereits viermal rekognoszieren. Jetzt bleibe ich für längere Zeit, um meine Kompanie zu erwarten, welche das Ding erstürmen und dann besetzen soll.“
„Da wirst du dort diese Doña Emilia sehr vermissen. Oder gibt es dort ähnliche Akquisitionen?“
„Ich kenne nur eine einzige.“
„Ah, also doch eine! Wer ist es?“
„Die einzige Tochter eines gewissen Pirnero. Er ist Kaufmann und der reichste Mann des Ortes.“
„Schön?“
„Ja, aber nicht mehr ganz jung.“
„Liebenswürdig?“
„Mehr freundlich möchte ich es nennen.“
„Leicht zu erobern?“
„Verteufelt schwer!“
„Also gar kein Feuer oder doch ein wenig Koketterie?“
„Nicht die Spur. Sie ist das personifizierte kalte Pflichtgefühl, aber in verdammt vollendet plastischen Formen. Eine zärtliche, aufrichtig liebevolle Umarmung von ihr dürfte mehr wert sein, als selbst die von Doña Emilia.“
„Verdammt! Das Mädchen möchte ich sehen!“
„Und ich möchte es besitzen!“
„Das wird dir schwer werden, vielleicht gar unmöglich.“
„Oho, da dürfte ich kein Franzose sein. Wollte ich, so müßte sie heute noch mein werden. Es wäre dies überhaupt eine ganz vortreffliche Belohnung für unsere Anstrengung.“
„So nimm sie dir. Aber dazu gehört Mut in diesem Land.“
„Glaubst du etwa, daß er mir fehlt?“ fragte der Kapitän beleidigt.
„Ein wenig“, lächelte der Leutnant. „Wenn diese mexikanischen Damen nicht wollen, so pflegen sie zu beißen.“
„Pah! Wollen wir wetten?“
„Um was?“
„Tausend Stück der feinsten Puros (Zigarren).“
„Topp! Auf Ehrenwort?“
„Auf Ehrenwort! Topp!“
Sie schlugen ein, und dann fragte der Leutnant im Ton der Neugierde: „Aber wie willst du es anfangen?“
„Hm!“ brummte der Kapitän.
„Ist's ein Geheimnis?“
„Das nun eben nicht.“
„Nun, so schieß los!“
„Also ich habe dir gesagt, daß ich bereits viermal dort gewesen bin. Ich habe dann jedesmal dort geschlafen.“
„Alle Teufel! Und eine Attacke gemacht?“
„Noch nicht. Doch bin ich so klug gewesen, mir die Türen und Schlösser genau anzusehen.“
„Das nenne ich, seine Vorbereitungen gut treffen! Was sind es für Schlösser?“
„Keine Pariser. Kannst du dich besinnen, daß es in unseren Knabenjahren auf den Dörfern und in kleinen Städten noch Schraubenschlösser gab?“
„Schraubenschlösser? Hole dich der Teufel! Hältst du mich etwa für einen Schlosser oder Hufschmied, daß du mir zumutest, solche Fachausdrücke zu verstehen?“
„Ich meine jene altmodischen Schlösser, zu denen man keinen Schlüssel brauchte.“
„Ah, ich beginne nachzudenken!“
„Es wurde ganz einfach mit dem Drücker geöffnet, welcher zugleich als Schlüssel diente. Im Schloß befindet sich ein großes Schlüsselloch mit Schraube, und im Drücker ist die korrespondierende Schraubenmutter ausgehöhlt. Steckt man den Drücker ein und dreht ihn ein paarmal um, so öffnet sich die Tür.“
„Jetzt, jetzt besinne ich mich! Aber die Schlösser sind verteufelt altmodisch!“
„Hier in Mexiko noch nicht. Die Türen des Señor Pirnero haben alle solche Schlösser, und hierauf baue ich meinen Plan.“
„Das wird dich nicht sehr fördern.“
„Sogar ganz außerordentlich. Du vergißt nämlich zweierlei, Kamerad.“
„Ich bin neugierig, es zu hören!“
„Wenn man den Drücker abzieht und mit in die Stube nimmt, hat man sich eingeschlossen; daher sind diese Türen nicht mit einem besonderen Nachriegel versehen.“
„Alle Teufel! Ich beginne zu ahnen, was nun folgen wird.“
„Ferner sind diese Schlösser und Drücker einander alle ungeheuer ähnlich. Sie sind alle über eine Schraube gemacht. Der Drücker der einen Tür schließt also auch alle andern auf.“
„Dann ist aber das Einschließen ja ganz illusorisch geworden.“
„Allerdings; aber daran scheint man in diesem glücklichen Land gar nicht zu denken. Übrigens weiß ich, wo Señorita Resedilla schläft.“
„Resedilla? Ein sehr duftiger Name; ganz wie Kresse und Ranunkel!“
„Meinetwegen! Und zweitens weiß ich auch ganz genau, wo ich schlafen werde.“
„Das ist von ungeheurem Vorteil.“
„Und drittens habe ich bereits bei meiner letzten Anwesenheit probiert, ob mein Drücker die Tür der Señorita öffnet.“
„Klug wie ein Kadi des Morgenlandes!“ spottete der Leutnant. „Wie fiel diese Probe
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