46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
gar nicht!“
„Hat er sonst einen Fehler?“
„Nein. Er ist ein tüchtiger Kerl.“
„Nun?“
„Hm! Den Fehler habe ich!“
„Inwiefern?“
„Ich habe ihn schlecht behandelt. Er wohnte hier bei mir, ohne daß ich wußte, wer er war. Da habe ich ihn dumm und liederlich geheißen, ihn blamiert, und darüber gezankt, daß er nur einen einzigen Julep trinkt. Trotzdem hatte er mich bewacht und den französischen Kapitän fortgeschafft, der als Spion zu uns gekommen war.“
„Das beweist eben, daß Ihr kein großer Politikus seid.“
„O, in der Politik und als Diplomat bin ich groß; da stelle ich meinen Mann; aber die verfluchten Heiratsgeschichten machen einem zu schaffen, obgleich man in Pirna geboren ist. Ich will doch lieber zehn Republiken und zwanzig Kaisertümer verwalten, als ein einziges Mädchen verheiraten. Ein Kaisertum oder eine Republik nimmt einem jeder ab, eine Tochter aber wird zum Ladenhüter, ehe man es sich versieht, und dann ist es nichts mit dem Schwiegersohn. Weshalb ist man von Pirna nach Mexiko gezogen, als um auch einmal Großvater zu werden!“
Juarez, der sonst so wortkarge, ernste Mann, liebte doch zuweilen einen kleinen Scherz. Diese Unterredung gab ihm Spaß. Er fragte:
„Also denkt Ihr nicht, daß der ‚Schwarze Gerard‘ Euch den Gefallen tun wird?“
„Der sicherlich nicht. Mit dem habe ich es leider verdorben. O, Señor, wenn Ihr doch ein gutes Wort für mich einlegen wolltet.“
„Hm! Das ist eine heikle Sache. Was gebt Ihr Eurer Tochter mit?“
„Sie bekommt ja alles, alles!“
„Glaubt Ihr denn, daß er sie leiden kann?“
„Erst dachte ich es, sie standen einmal im Flur, und er hatte ihre Hand in der seinigen. Es sah so aus, als sie miteinander geredet hätten.“
„Das ist doch kein sicheres Merkzeichen!“
„Ja. Aber dennoch fuhr ich in die Höhe und spektakelte sie an. Seit dieser Zeit ist es aus. Sie können einander nicht mehr sehen.“
„Das merkt Ihr?“
„Ja. Sie gucken einander gar nicht mehr an. Heute hat er uns alle errettet, obgleich er selbst den Tod schon auf den Lippen hatte. Ich habe ihm darum mein bestes Zimmer gegeben. Aber denkt Ihr, daß das Mädchen ein einziges Mal nach ihm gesehen hat?“
„Das ist allerdings sehr schlimm; doch will ich sehen, ob vielleicht etwas zu machen ist.“
„Ja, Señor, tut mir den Gefallen!“ bat Pirnero. „Ich bin sehr gern zu jedem Gegendienst bereit. Solltet Ihr einmal einen guten, zuverlässigen Diplomaten brauchen, so schickt zu mir. Ich werde Euch die schwierigsten Sachen auseinanderfitzen.“
„Gut! Aber sagt einmal, alter Pirnero, warum habt Ihr Euch denn von diesen Franzosen so überrumpeln lassen? Habt Ihr denn gar nicht an Gegenwehr gedacht?“
„Gegenwehr? Natürlich! Erst wollte ich in die Gewehrniederlage gehen, wo ich die Büchsen liegen habe, welche zum Verkauf sind. Aber dann überlegte ich mir, daß es wegen der paar Mann doch schade ist, ein neues Gewehr anzuschießen. Dann wollte ich in meine Schlafkammer, wo ich meinen Stutzen hängen habe; aber an dem einen Lauf fehlt der Hahn, und am anderen Hahn der Lauf. Ich dachte, ein Speisemesser zu holen; die meinigen sind vorn rund; da muß man ewig quetschen und drücken, ehe man sie jemand in den Leib bringt. Eine Lanze habe ich auch, spitz und scharf wie Gift, aber die wird als Wäschestange benützt, und ehe ich alle Hemden und Strümpfe heruntergebracht hätte, wären die Franzosen längst ausgekniffen gewesen; denn Angst hatten sie alle; das sah man ihnen an.“
„Ja, Ihr seid ein Mordskerl!“ lachte Juarez.
„Aber den Grund habe ich noch nicht gesagt, Señor Juarez!“
„So sagt ihn mir jetzt.“
„Nun, ich überlegte mir in der Geschwindigkeit diplomatisch, daß Hilfe kommen werde. Darum brauchte ich mich mit diesen Kerls nicht herumzuärgern. Ich habe das anderen überlassen. Einem guten Diplomaten fällt es nicht ein, sich auf dem Schlachtfeld töten zu lassen. Er macht den Krieg, und das andere Volk führt ihn. Das ist diplomatisches Herkommen.“
Juarez war plötzlich ernst geworden.
„Ihr habt recht, Pirnero. Der ‚Neffe des Onkels‘ in Paris hat uns den Krieg gemacht! Er ist der Diplomat. Und unser Volk muß sich infolge dessen hinschlachten lassen. Ich hatte Mexiko den Frieden gegeben, und hätte ihm den Frieden erhalten. Man gehorchte mir, weil man mich liebte, achtete und fürchtete. Da kamen diese Landesfriedensbrecher mit ihrer Macht. Jedes Volk hat das Recht, sich selbst zu regieren. Dieses
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