46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
weißt ja, daß ich ein Diplomat bin.“
Da lachte sie hell und fröhlich auf.
„Da mache dir nur keine Sorge“, sagte sie. „Dieser Mensch ist mir unausstehlich.“
„Das erleichtert mir das Herz gewaltig. Ein Mensch, der ein Heiratsbüro in der Dämmerstunde für eine Zündhölzerfabrik in der Morgenstunde ansieht, hat nicht das geringste Talent zum Schwiegersohn eines Diplomaten. Der hingegen, den ich meine, und den auch Juarez will, ist ein tüchtiger Kerl. Rate, wer es ist!“
„Das läßt sich schwer erraten. Sage lieber gleich, wen du meinst!“
„Hm! Wenn ich nur die vielen Dummheiten nicht gemacht hätte! Ich habe ihn ja ganz und gar nicht als Schwiegersohn behandelt. Denke dir nur! Ist es denn eigentlich möglich, so einem Kerl vorzuwerfen, daß er Rehziegen für andere trägt?“
Jetzt war es ihr mit einemmal klar, wen der Vater meinte. Sie erglühte bis in den Nacken und wendete sich ab, um ihre Verlegenheit zu verbergen.
„Errätst du es nun?“ fragte er. „Ich meine den ‚Schwarzen Gerard‘.“
Sie klirrte ganz verdächtig mit den Gläsern und zögerte zu antworten.
„Nun!“ sagte er. „Kannst du ihn etwa nicht leiden?“
Da nahm sie sich zusammen und antwortete:
„Ich habe dir ja gesagt, was in dieser Angelegenheit die Hauptsache ist.“
„Ob er dich haben mag? Ja, das wohl! Aber es hat mir geschienen, daß du nichts von ihm wissen magst. Du hast ihn in letzter Zeit ja gar nicht angesehen, und heute, wo er uns so beigestanden hat, hast du dich noch nicht ein einziges Mal um ihn gekümmert!“
Sie stand an dem anderen Tisch und kehrte ihm den Rücken zu. Sie antwortete nicht.
„Nun, verteidige dich!“ mahnte er.
Da erklang ein eigentümlicher, tiefer Ton durch das Zimmer, ein Ton, als wenn jemand etwas aus dem Herzen gewaltsam Emporsteigendes mit aller Anstrengung hinunter drücken wolle. Dieser Laut kam aus Resedillas Brust, und dann brach sie plötzlich in ein heftiges, lautes Schluchzen aus, welches sie nun nicht mehr zu beherrschen vermochte. Sie hielt die Hände an die Augen und verließ unter lautem Weinen das Zimmer.
Pirnero blickte ihr erschrocken nach, bis sie hinter der Tür verschwand.
„Sapperlot, was war denn das!“ sagte er sich. „Das war ja ein Jammer und Elend wie es in Pirna gar nicht Mode ist. Sie will nichts von ihm wissen, das steht nun bombenfest. Das arme Kind! Soll ich sie denn wirklich an einen hängen, dem sie nicht gut ist? Nein! Lieber mag die Gouverneursgeschichte zum Teufel gehen! Kind bleibt Kind. Mein Mädchen steht mir näher als der Staat, und wegen eines Ordens aus Rom oder Konstantinopel opfere ich mein Kind nicht. Der Teufel hole die Politik. Man ist zum Genie geboren und richtet doch Unheil an. Ich werde es ihr sagen, daß sie den Kerl, den ‚Schwarzen Gerard‘, gar nicht anzusehen braucht.“
Er erhob sich wirklich, um nach der Küche zu gehen, kam aber nicht weit, so mußte er diesen Gang unterbrechen, denn es trat einer ein, von dem vorhin die Rede war! ‚Geierschnabel‘, der Yankeejäger. Sein Gewand war mit Blut befleckt, ein deutliches Zeichen, daß er sich wacker an dem Kampf beteiligt habe. Er hatte ganz das Aussehen eines Mannes, der die Gefahr nicht gescheut hatte, sondern sich tüchtig mit den Feinden herumgebalgt hatte. Pirnero blieb stehen und betrachtete ihn vom Kopf bis zum Fuß.
„Herrgott, wie seht Ihr aus!“ rief er.
Der Amerikaner warf ihm einen nicht sehr höflichen Blick zu und antwortete:
„Ich kalkuliere, daß ich anders aussehe, als wie einer, der in der Stube blieb, während um unsere Köpfe die Kugeln pfiffen. Ihr versteht mich doch, Master?“
Da warf sich Pirnero in die Brust, stellte sich stolz vor ihm hin und sagte:
„Ah, Ihr meint mich? Habe ich etwa nicht auch gekämpft?“
„Man hat nichts gesehen.“
„Da irrt Ihr Euch bedeutend. Der blutigste Teil der Schlacht wurde in meinem Haus gekämpft. Da flogen die Kugeln wie die Mücken umher.“
„Habt Ihr etwa mit zugeschlagen?“
„Ich? Als Feldherr?“ fragte Pirnero erstaunt.
„Alle Teufel! Ihr wart der Feldherr?“ lachte der Jäger.
„Natürlich. Das versteht sich.“
„O, das ist allerdings etwas anderes, Master. Verzeiht, daß ich dies nicht gewußt habe. Gebt einen Julep, damit ich meine Hochachtung für Euer Feldherrentalent gehörig bespülen und beträufeln kann.“
„Den Julep sollt Ihr haben, aber Eure Hochachtung brauche ich nicht. Ich bin als Diplomat und kriegerischer Schlachtenkenner bekannt genug, als
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