46 - Waldröschen 05 - Rebellen der Sierra
sie zu“, fiel der Fremde ein.
„Zumachen? Ah, ja, das wird das beste sein.“
Der geistreiche Wirt fühlte sich zum drittenmal geschlagen, fügte aber hinzu: „Doch die Kleider, die werden zuschanden!“
„So zieht man schlechte an.“
Das war Wasser auf die Mühle des Wirtes. Er machte eine rasche Wendung nach dem verhaßten Gast und sagte: „Ja, die Eurigen sind schlecht genug. Habt Ihr denn keine besseren?“
„Nein.“
Dieses Wort wurde so gleichmütig gesprochen, daß es den Alten empörte. Der Mexikaner hält sehr viel auf sein Äußeres. Er kleidet sich in eine bunte, höchst malerische Tracht, trägt gern schimmernde Waffen und schmückt sein Pferdegeschirr mit goldenen und silbernen Zieraten. Von alldem war bei dem Fremden nichts zu bemerken. Er hatte an seinen groben Stiefeln nicht einmal Sporen, die der Mexikaner stets mit ungeheuren Rädern trägt.
„Warum denn nicht?“ fragte der Wirt.
„Sie sind mir zu teuer.“
„Ah, so seid Ihr ein armer Habenichts?“
„Ja“, antwortete der Gefragte gleichmütig. Er bemerkte aber wohl, daß die Tochter unwillig errötete und ihm einen Blick zuwarf, in welchem es wie eine Bitte um Verzeihung lag.
Der Wirt bemerkte dies nicht; er fuhr in seinen Fragen fort: „Was seid Ihr denn eigentlich?“
„Jäger.“
„Jäger? Und davon lebt Ihr?“
„Allerdings.“
Der Alte warf ihm einen höchst verächtlichen Blick zu und sagte stolz: „Da sollt Ihr mich dauern. Wie kann ein Jäger jetzt leben? Es gibt keinen mehr. Ja, früher war es etwas anderes. Da gab es Kerle, vor denen man Respekt haben mußte. Habt Ihr einmal von ‚Bärenherz‘ gehört?“
„Ja. Er war ein berühmter Apache.“
„Oder von ‚Büffelstirn‘?“
„Ja, er war der König der Büffeljäger.“
„Und von ‚Donnerpfeil‘?“
„Ja, er war ein Deutscher.“
„Mein Landsmann!“ sagte der Wirt stolz. „Ich bin nämlich aus Pirna, von woher sie in Dresden die Elbe beziehen. Der größte Jäger aber ist der ‚Fürst des Felsens‘ gewesen, der eigentlich auch ein Deutscher war. Er war früher Arzt und hat Sternau geheißen – – –“
„Sternau?“ unterbrach ihn der Fremde schnell.
„Ja, Sternau.“
„Wie lautete sein Vorname?“
„Carlos, Señor Carlos Sternau. Mein Vetter hat mir von ihm erzählt, als ich ihn vor einigen Jahren besuchte.“
„Und wer ist dieser Euer Vetter?“
„Señor Pedro Arbellez, Besitzer der Hacienda del Erina.“
„Ist dieser Señor Sternau verheiratet?“
„Ja, nämlich mit der Gräfin Rosa de Rodriganda.“
„Er ist's, er ist's; es ist derselbe“, sagte der Jäger für sich, aber so, daß es der Wirt und dessen Tochter hörten.
„Wer ist er? Wer ist ganz derselbe?“ fragte der erstere. „Kennt Ihr ihn?“
„Ja, sehr gut.“
„Woher?“
„Er hat meine Schwester aus dem Wasser gezogen.“
„Seht Ihr, was für ein Kerl er ist! Er zieht sogar die Leute aus dem Wasser heraus. Ja, er war ein großer Jäger, wie es keinen wieder gibt. Wir haben jetzt gar keinen berühmten Wald- oder Prärieläufer mehr, einen höchstens ausgenommen, der soll aber auch ein ganz verteufelter Kerl sein. Habt Ihr von ihm gehört?“
„Wen meint Ihr denn?“
„Den ‚Schwarzen Gerard‘. Ihr müßt nämlich wissen, daß sich die Waldläufer einander gern beim Vornamen nennen und dann noch irgendeine Bezeichnung dazusetzen. Ich muß Euch das sagen, weil Ihr zwar ein Jäger seid, aber jedenfalls kein solcher, der diese Gebräuche kennt. Dieser Mann heißt Gerard und soll einen Schwarzen Bart haben; daher wird er der ‚Schwarze Gerard‘ geheißen. Kennt Ihr ihn?“
„Ich habe von ihm gehört.“
„Nun, so werdet Ihr wissen, daß dies der einzige berühmte Kerl ist, den wir jetzt hier an der Grenze haben. Er fürchtet sich vor dem Teufel nicht; sein Schuß geht niemals fehl, und sein Messer trifft stets den richtigen Fleck. Vor so einem Mann muß man Respekt haben. Er hat es besonders auf die Raubbanden in der Llano estacado abgesehen. Seit er von Norden droben heruntergekommen ist, sind die Wege von ihnen fast gesäubert worden. Ich habe ihm sehr viel zu verdanken, den früher fingen sie mir meine Waren zehnmal auf, ehe ich sie einmal bekam. So ein Kerl sollte mein Schwieg –“, er besann sich und hielt mitten im Wort inne. In Gegenwart dieses Gastes durfte er unmöglich in seine Lieblingslitanei verfallen. Darum fuhr er fort: „Ich möchte wissen, was für ein Landsmann er ist. Wohl auch ein Deutscher und am Ende gar
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