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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihm schritt ein kleines, hageres Männchen desselben Weges dahin.
    „Well, ein Menschenkind“, murmelte der Fremde. „Das ist mir lieb, denn ich kalkuliere, daß er hier bekannt sein wird und mir also Auskunft geben kann. Ich werde ihn einholen.“
    Seine Schritte wurden nach diesen Worten rascher. Man sah aber nicht, daß ihm dies Anstrengung gekostet hätte; doch ein Pferd hätte Trab laufen müssen, um in dieser Weise mit ihm fortkommen zu können. Dabei wurden seine Schritte durch den Schnee so gedämpft, daß der Vorangehende seine Anwesenheit nicht eher bemerkte, als bis er angerufen wurde.
    „Good morning, Sir“, rief der Fremde, und fuhr in einem ziemlich gebrochenen Deutsch fort: „Wohin geht diese Straße, Freund?“
    Der Angerufene drehte sich rasch um, fuhr aber bei dem Anblick des Sprechenden erschrocken zurück, denn dieser glich eher einem Vagabunden als einem ehrlichen Mann.
    „Nun, warum antworten Sie nicht?“ fragte der Fremde barsch.
    Diese Frage brachte das Männchen zu sich. Er schien einzusehen, daß es geraten sei, mit einem solchen Strolch möglichst höflich zu sein.
    „Guten Morgen“, sagte er. „Diese Straße geht nach Rheinswalden.“
    „Sind Sie dort bekannt?“
    „Ja.“
    „Wohnen Sie vielleicht dort?“
    „Nein.“
    „Was sind Sie denn eigentlich?“ fragte der Fremde mit einem forschenden Blick auf den anderen.
    „Tierarzt“, antwortete dieser.
    „Tierarzt? Hm! Ein schönes Handwerk. Das Vieh ist leichter zu kurieren als das Menschenpack. Da habt Ihr wohl in Rheinswalden zu tun?“
    „Ja, ich wurde vorhin einer kranken Kuh wegen geholt.“
    „Schießt sie tot, da ist sie geheilt, und Ihr seid die Plage los.“
    Der Kleine sah den Großen erschrocken an.
    „Wo denken Sie hin“, sagte er. „Eine Kuh totschießen.“
    „Pah, ich habe viele Hunderte totgeschossen.“
    Der Kleine machte ein sehr ungläubiges Gesicht und meinte:
    „Das glaube Ihnen der Teufel!“
    „Wollte es dem Teufel auch geraten haben. Wenn er etwas, was ich sage, nicht glauben wollte, so wäre ihm sein Brot gebacken.“
    „Na, schneiden Sie nicht so sehr auf.“
    Da spitzte der Fremde den Mund. „Pchtichchchchch“, klang es, und dabei spritzte er dem Kleinen einen Strahl dicken, dunklen Tabaksaftes so nahe am Gesicht vorüber, daß dieser erschrocken zurückwich.
    „Donnerwetter. Nehmen Sie sich doch in acht“, rief er. „Passen Sie auf, wo Sie hinspucken.“
    „Weiß ich ganz genau“, versicherte der Fremde ruhig.
    Der Kleine betrachtete ihn mit scheuem Blick von oben bis unten und fragte dann:
    „Sie kauen wohl Tabak?“
    „Ja.“
    „Warum rauchen oder schnupfen Sie nicht lieber?“
    „Zum Rauchen fehlt mir der Geschmack, und zum Schnupfen ist mir meine Nase zu lieb.“
    „Na, der sieht man es auch an, daß Sie sie lieb haben. Aber das Tabakkauen ist fürchterlich ungesund.“
    „Meinen Sie?“ fragte der Fremde im Ton der Überlegenheit.
    „Ja. Ich als Tierarzt muß das verstehen.“
    „So, so, Hm! Da lassen Sie das liebe Vieh wohl nicht Tabak kauen?“
    „Fällt mir gar nicht ein.“
    „Sondern lieber rauchen oder schnupfen?“
    „Machen Sie keine dummen Witze über die hochgeehrte Wissenschaft. Ohne sie würde manches Tier zugrunde gehen.“
    „Ja, und ohne sie würde mancher Mensch leben bleiben. Also eine Kuh wollen Sie heute kurieren?“
    „Ja. Sie hat die Perlsucht.“
    „Wem gehört sie denn?“
    „Frau Helmers auf dem Vorwerk neben dem Schloß.“
    „Helmers? Hm. Ist die Frau Witwe?“
    „Ja und nein.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ihr Mann wird wohl gestorben sein, aber sie kann es nicht beweisen. Er hat nämlich eine weite Reise gemacht und ist nicht wieder zurückgekehrt.“
    „Wohin?“
    „Die letzte Nachricht ist aus Mexiko gekommen.“
    „Wann?“
    „Am Ende des Herbstes.“
    „Hm“, meinte der Fremde nachdenklich. „Rheinswalden ist ein Schloß?“
    „Ja.“
    „Wem gehört es?“
    „Dem Herrn Hauptmann und Oberförster von Rodenstein.“
    „Ist dieser Mann verheiratet?“
    „Nein, aber er hat einen Sohn.“
    „Der wohnt mit auf Rheinswalden?“
    „Nein, sondern auf Rodriganda.“
    „Rodriganda? Was ist das?“
    „Ein Schloß in der Nachbarschaft von Rheinswalden. Es gehört dem Herzog von Olsunna, welcher der Schwiegervater des Malers Otto von Rodenstein ist.“
    „Ah, ist dieser Herzog nicht der Vater eines gewissen Sternau?“
    „Hm, darüber kann ich nichts sagen, aber es wohnt bei ihm die Frau Rosa Sternau, welche eigentlich

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