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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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einstweilige Verwahrung. Sie mußten rasch wieder fort, aber der, welche Mariano genannt wurde, gab mir diesen Ring zur Beglaubigung und trug mir auf, zu sagen, Josefa sei ergriffen und bei meinem Vater gefangen, Pablo aber werde noch den nächsten Tag festgenommen werden.“
    Diese Kunde wurde geglaubt und verbreitete sich sehr rasch auf der Hacienda. Der Bote wurde verpflegt, genoß aber nicht viel, sondern begab sich sehr zeitig zur Ruhe.
    Aber als alle anderen schliefen, erhob er sich und schlich sich nach dem Zimmer des Grafen, welches er ausgekundschaftet hatte. Er war im Haus bekannt. Die Tür war nicht von innen verriegelt. Er trat unhörbar ein. Der Graf schlief. Er versetzte ihm einen Hieb, der den Greis besinnungslos machte, band ihn dann, steckte ihm einen Knebel in den Mund und schlang ihm dann das Lasso unter den Armen durch. Dann öffnete er das Fenster und ließ den Gebundenen, wenn auch unter großer Anstrengung, am Lasso herab. Unten standen seine Gehilfen.
    „Rasch fort!“ flüsterte er hinunter. „Ihr wißt, wo ich euch treffe.“
    Er schloß das Fenster wieder und schlich sich auf sein Lager zurück. Hätte er gewußt, welche aus Härrär stammenden Reichtümer das Gepäck Don Ferdinandos enthielt, so hätte er wohl noch länger verweilt, um sich wenigstens einen Teil derselben anzueignen.
    Mit Anbruch des Tages, als die Besatzung der Hacienda erwacht war, setzte er sich zu Pferd. Arbellez gab ihm eine Belohnung, da er den Grafen noch im tiefen Schlaf wähnte, dann jagte er davon.
    „Gelungen, herrlich gelungen!“ jauchzte er, als die Hacienda hinter ihm lag. „Sie werden diesen Grafen bis Mittag nicht belästigen, also früher gar nichts bemerken. Unser Vorsprung wird wohl groß genug sein. Ganz gewiß aber ist, daß sie mich nicht in Verdacht haben werden, denn sie sind dabei gewesen, als ich fortritt. Der prachtvolle Diamant ist also nicht verloren, sondern wird nun sicher mir gehören.“ –

FÜNFTES KAPITEL
    In geheimer Mission
    Es war frischer Schnee gefallen, wie ihn der Jäger so gern hat, weil sich da die Fährte des Wildes am leichtesten erkennen und ablesen läßt. Nur noch einzelne Flocken wirbelten träumerisch hernieder und setzten sich als glitzernde Sternchen an die Zweige der Tannen und Kiefern, welche die beiden Seiten der Straße säumten, die von Mainz nach Rheinswalden führt.
    Der Wintertag begann zu dämmern, aber trotz dieser frühen Morgenstunde gab es doch bereits ein menschliches Wesen, welches auf dieser Straße dahergeschritten kam.
    Es war ein Mann, dessen Erscheinung höchst eigentümlich genannt werden mußte. Die herrschende Kälte schien auf ihn gar keinen Eindruck zu machen, obgleich seine Kleidung eine ganz leichte war. Er trug Schuhe oder vielmehr Halbstiefel, von einer in dieser Gegend ganz und gar fremden Fasson und Arbeit, kurze, blaue und sehr weite Leinwandhosen, welche hier und da zerrissen waren, eine ebensolche Jacke, die ihm viel zu kurz und zu eng zu sein schien, und auf dem Kopf eine Mütze, welche früher jedenfalls einen Schirm gehabt hatte, nun aber an allen Nähten aufgeplatzt war. Die Jacke war offen, so daß man ein Hemd sehen konnte, welches sicher monatelang nicht gewaschen gewesen war, und, vorn nicht geschlossen, eine völlig nackte Brust sehen ließ, welche, dicht behaart, ein Aussehen hatte, als ob sie Jahre hindurch allen Winden und Wettern ausgesetzt gewesen sei. Um den langen, hageren Hals schlang sich ein altes Taschentuch, von welchem sich nicht bestimmen ließ, welche Farbe es früher einmal gehabt haben mochte, und zwischen Hose und Jacke wand sich als Gürtel ein Schal um den Leib, der seit einem Jahrhundert zu allem möglichen gedient zu haben schien. Auf dem Rücken trug dieser Mann einen ziemlich großen, gefüllten Leinwandsack, und über die linke Schulter hing ihm ein alter, langer Lederschlauch, dessen Bestimmung ein Uneingeweihter wohl schwerlich erraten haben würde.
    Das sonderbarste aber an diesem Mann war sein Gesicht. Es war hager und von der Sonne und der Witterung hart und dunkel gegerbt. Sein breiter Mund hatte fast keine Lippen. Die kleinen Augen blickten außerordentlich scharf und sicher unter den Lidern hervor, und die Nase war fast ungeheuerlich zu nennen. Sie besaß eine Dimension, zufolge deren man sie eher einen Schnabel als eine Nase hätte nennen mögen.
    Der Fremde folgte eben einer Krümmung der Straße, als er bemerkte, daß er nicht der einzige Wandersmann sei; denn eine kurze Strecke vor

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