47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
Arbellez.
Und noch waren die Worte nicht verklungen, so hatte er bereits das Zimmer verlassen und flog mit wahrhaft jugendlicher Schnelligkeit die Stufen hinab. Als er den Hof erreichte, standen die Reiter im Begriff, abzusteigen. Der Graf stand neben dem Pferd, von welchem man ihm geholfen hatte.
„Don Ferdinande“, rief der Haziendero.
„Pedro, mein guter Pedro Arbellez“, rief der Graf.
Allen Unterschied des Standes vergessend, flogen sie einander in die Arme. Bald aber glitt Arbellez auf seine Knie nieder, küßte die Hände seines Gebieters und rief:
„Also wirklich. Sie sind nicht tot. Sie sind nicht gestorben gewesen. Sie leben und kehren zu uns zurück. O, mein Gott, welch ein Glück. Ich danke dir, du Vater im Himmel. Erst gabst du mir mein Kind wieder, und nun bringst du mir auch noch den Herrn zurück. Nun habe ich lange genug gelebt, nun kann ich ruhig sterben.“
„O nein, nicht sterben“, sagte der Graf. „Wir wollen uns noch eine Spanne Zeit des Glückes erfreuen, nachdem wir eine halbe Ewigkeit so entsetzlich elend gewesen sind.“
Er zog ihn wieder zu sich empor und küßte ihn. Kein Auge blieb trocken. Diese beiden weißhaarigen Greise bildeten eine Gruppe, welche zu ergreifend war, daß ein Menschenkind hätte gleichgültig bleiben können.
Natürlich wurde der Graf auch von den anderen mit Jubel empfangen, und es dauerte lange, ehe das Gespräch sich in einem ruhigeren Geleise bewegte. Auch die beiden Ärzte und Mädchen wurden herzlich begrüßt, obgleich sie fremd waren und man weiter nichts erfahren konnte, als daß der Graf für die Mädchen eine ganz besondere Aufmerksamkeit gezeigt habe.
Natürlich erkundigte man sich auch nach dem Fort Guadeloupe, und da hörte man, daß sich dort alles wohl befinde. Resedilla hatte einen baldigen Besuch angekündigt, der ‚Schwarze Gerard‘ lag zwar noch immer fest, doch versicherten die beiden Ärzte mit Bestimmtheit, daß er seinen schweren Wunden nicht erliegen, sondern infolge seiner kräftigen Natur und der vortrefflichen Pflege, welche er bei Resedilla fand, bald genesen werde.
Das Vergangene war für den Augenblick vergessen, und nur die Freude hatte Geltung. Niemand ahnte, daß ein neues großes Unheil bereits im Anzug sei.
Nämlich auf der Spur des Apachentrupps, bei welchem sich der Graf befunden hatte, ritten sechs Männer. Der Anführer war Manfredo, der Neffe des Paters Hilario, und seine Gefährten waren diejenigen, welche mit Cortejo vom Berg el Reparo nach Santa Jara geflohen waren. Der Pater hatte sie nun für sich geworben und nach Norden gesandt, um dem Grafen aufzulauern, wenn er von Fort Guadeloupe nach der Hacienda reite.
„Verflucht!“ sagte Manfredo. „Sie sind uns für jetzt entkommen! Wer hätte das gedacht, daß zwanzig von diesen verdammten Rothäuten dabei sein würden!“
„Hätten wir ihn doch einfach aus der Ferne erschossen“, meinte einer.
„Nein, das durften wir nicht. Mein Onkel will ihn lebendig haben.“
„Damit ist's nun aus. Sie werden die Hacienda schon erreicht haben.“
„Ganz sicher. Aber noch gebe ich die Hoffnung nicht auf. Ich hole ihn aus der Hacienda.“
„Das ist unmöglich!“
„Meinst du? Es ist sehr leicht. Ich werde euch sagen, wie es anzufangen ist.“
Er gab ihnen die gehörige Instruktion, und dann ritten sie in das Land hinein, um sich irgendwo bis zum Abend zu verbergen. Aber bereits kurz vor der Dämmerung brach Manfredo auf, um die Hacienda aufzusuchen. Die Gefahr, dort von irgend jemand erkannt zu werden, war nicht groß, da mit ihm ja viele dagewesen waren und also auch das einzelne Gesicht unter so vielen keine große Beachtung gefunden hatte.
Auf del Erina angekommen, fragte er nach Señor Arbellez.
„Er ist in seiner Stube“, antwortete der Vaquero, den er gefragt hatte.
„Ich bin ja fremd hier. Wo ist diese Stube?“
Sie wurde ihm gezeigt. Als er eintrat, befand sich Don Ferdinande bei Arbellez.
„Was wollt Ihr?“ fragte der letztere.
„Ich bin der Sohn des Richters von Sombrerete“, antwortete er, „und habe Euch diesen Ring zu übergeben.“
Er gab den Ring hin. Der Graf sah ihn auch und sagte rasch:
„Das ist Marianos Ring! Um Gotteswillen, wo ist er her?“
„Ein Señor Mariano hat ihn mir gegeben als Beglaubigungszeichen, wenn ich meine Botschaft ausrichte.“
„Gott sei Dank! Kein Unglück! Was habt Ihr für eine Botschaft?“
„Mehrere Señores, unter denen zwei Rote waren, gaben meinem Vater ein Weib als Gefangene in
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