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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Zeitung.“
    „O Manasse und Ephraim! Ich habe die falsche Tasche erwischt. Greife schnell hier hinein, Sarahleben.“
    Er hielt die andere Tasche hin und sie fuhr mit der Hand hinein.
    „Nichts“, sagte sie.
    Er erbleichte.
    „Nichts?“ fragte er. „Nichts hast du gesagt?“
    „Ja.“
    „Es ist nichts darin?“
    „Gar nichts.“
    „Und in der ersten Tasche?“
    „Nur diese Papierfetzen.“
    Jetzt untersuchte er selbst schnell die Taschen. Es war nicht das mindeste darin zu finden. Er ließ vor Schreck die Hosen fallen.
    „Gott der Gerechte“, rief er. „Ich bin betrogen worden, ich bin kapores, ich bin pleite um vierzig Taler!“
    Er fühlte sich so schwach, daß er sich auf einen alten Stuhl niedersetzen mußte. Sie aber stemmte die Arme in die Seite und fragte:
    „Was bist du? Pleite und kapores bist du um vierzig Taler? Nein. Kapores ist dein Verstand, und pleite ist dein Gehirn.“
    „Sarahleben!“ jammerte er. „Er hatte doch über zwanzig Scheine in die Hosen gesteckt!“
    „Scheine? Was für Scheine?“
    „Zehntalerscheine.“
    „Das hast du gesehen?“
    „Ja.“
    „So hat er sie wieder herausgenommen.“
    „Das habe ich nicht gesehen.“
    „Wer ist er?“
    „Weiß ich es?“
    „Wo ist er hin?“
    „Er sagte, er müsse nach dem Bahnhof.“
    „So gehe, springe, laufe, eile, renne! Du mußt ihn finden.“
    „Aber wozu, Sarahleben, wozu?“
    „Er muß dir die Hosen wieder abkaufen um vierzig Taler.“
    „Er wird sich hüten.“
    „Er hat dich betrogen.“
    „Nein, sondern ich habe ihn betrügen wollen.“
    „O Levileben, was bist du für ein Dummkopf! Ich schäme mich deiner bei jeder alten Hose, welche ich zu sehen bekommen werde.“
    „Ich bin wie Hiob“, jammerte er. „Erst reich und nun arm.“
    „Schweig. Hiob kaufte keine Faultierwolle.“
    „Vielleicht hat es damals noch keine Faultiere gegeben. Sarahleben, ich bin matt, ich bin krank, ich bin tot. Mich kann nichts mehr retten, das Grab allein. O vierzig Taler! O Faultierwolle! O alte Hosen! O Sarahleben! Mein Testament ist gemacht. Es liegt dort in der Hochzeitslade. Dir vermache ich alles, die Gläubiger aber bekommen nichts. Lebe wohl. Adieu. Gute Nacht, du schnöde Welt!“
    Der aber, von dem die Rede war, ‚Geierschnabel‘ nämlich, war, als er das Geschäft verlassen hatte, ernsthaft weitergegangen. Sobald er aber hinter der nächsten Ecke in Sicherheit war, stieß er ein lautes Lachen aus.
    „O Levi“, meinte er. „Wie dumm, wie dumm. Ich steckte die Banknoten ja nur hinein, um dich zu meiern. Und als ich dir die Hosen anbot, waren sie schon längst wieder heraus. Es ist doch wahr, fünf gescheite Juden sind einem Yankee nicht gewachsen. Vierzig Taler für diese Lappen. Es ist ungeheuer. Ich habe meine ganze neue Montierung umsonst und auch noch Geld übrig.“
    Mit dieser neuen Montierung nun sah er eigentümlich aus. Er hatte nicht das Äußere eines ehrsamen, ernsthaften Menschen, sondern er sah wie eine Maske aus, wozu allerdings seine Nase nicht wenig beitrug. Sie gab dem wunderlichen Anzug erst das gehörige Relief.
    Er war nicht weit gekommen, so liefen ihm schon die Jungen nach. Sein Hut, sein Tellerfrack, die alten Lederhosen, die Tanzschuhe, die Nasenquetsche und die Posaune waren ganz geeignet, Zuschauer herbeizulocken. Er betrachtete dies mit dem größten Vergnügen.
    „Donnerwetter, muß mir der Anzug stehen“, schmunzelte er. „Es wird nicht lange dauern, läuft die ganze Jugend hinter mir her.“
    So schritt er denn, Sack und Büchse auf dem Rücken, die Posaune aber liebreich auf den Armen tragend, von Straße zu Straße weiter. Sein Gefolge wuchs wie eine Lawine, es zählte bereits nach Hunderten und machte einen solchen Heidenskandal, daß überall, rechts und links, die Fenster aufgerissen wurden.
    „Donnerwetter. Verursache ich hier ein Aufsehen! Mainz wird noch lange an ‚Geierschnabel‘ denken“, brummte er. „Schade nur, daß sie nicht wissen, daß ich es bin, weil ich ja inkognito gehe.“
    Sein Inkognito sollte aber nicht lange dauern. Ein Polizist kam um die Ecke, erblickte die sonderbare Gestalt und die Menschen, welche ihr folgten, und blieb stehen, um den Haufen herankommen zu lassen.
    ‚Geierschnabel‘ schien ihn gar nicht zu bemerken. Der Polizist aber nahm einen der Halberwachsenen aus der Menge heraus und fragte:
    „Wer ist der Kerl?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Woher kommt er?“
    „Wir wissen es nicht.“
    „Wohin will er?“
    „Auch das weiß

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