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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht umzugehen versteht, denn diese pflegt man nicht mit ‚Er‘ zu titulieren. Wenn Er Polizist sein will, so schaffe Er sich vorher das halbe Lot Menschenkenntnis an, welches dazu nötig ist!“
    Das brachte den Beamten wieder in Zorn.
    „Kerl, was fällt Ihm ein“, rief er mit lauterer Stimme, als man hier im Vorzimmer gewöhnlich zu sprechen pflegt. „Ich will Ihn nur darauf aufmerksam machen, daß wir hier das Recht haben, renitente Vagabunden durch eine Tracht Prügel zur Raison zu bringen.“
    Da trat ‚Geierschnabel‘ einen Schritt auf ihn zu und rief ebenso laut, wie der Polizist gewesen war:
    „Prügel? Die sollte Er mir wohl nicht bieten! Ich hiebe die ganze liebe Polizei, daß die geehrten Fetzen herumflögen. Bei mir zu Hause pflegt die bloße Androhung von Prügeln bereits eine Beleidigung zu sein. Darum nehme Er sich ja in acht, mir dieses Wort noch einmal zu sagen. Für jetzt will ich es Ihm vergeben und so tun, als ob ich es gar nicht gehört hätte. Bei einer Wiederholung aber wird Er augenblicklich erfahren, was geschehen wird.“
    Da wurde eine Tür aufgerissen, ein bebrillter Herr steckte den Kopf herein und fragte in verweisendem Ton:
    „Was geht hier vor? Ich verbitte mir diese Art von Skandal.“
    Die anwesenden Polizisten stellten sich augenblicklich in Positur.
    „Verzeihung, Herr Kommissar“, entschuldigte sich der eine. „Wir haben hier einen Arrestanten, welcher in höchstem Grad widerspenstig ist.“
    Der Kommissar betrachtete sich ‚Geierschnabel‘.
    „Alle Teufel, was ist das für ein Kerl?“ fragte er.
    „Wir wissen es nicht.“
    „Wieso? Sie haben ihn doch zu fragen!“
    „Er verweigert uns jede Auskunft.“
    „Haben Sie nach seiner Legitimation gesehen?“
    „Es würde vergeblich sein. Ich wollte ihn Ihnen zum Verhör anmelden, da er uns nicht als voll zu betrachten scheint.“
    „Weshalb wurde er sistiert?“
    „Sein sonderbares Äußeres zog eine Menge Volk hinter sich her. Ich forderte daher Auskunft über seine Person, erhielt aber keine genügende Antwort. Darum arretierte ich ihn.“
    „Folgte er gutwillig?“
    „Ja. Aber hier wurde er grob und wagte es sogar, Drohungen auszustoßen.“
    „Ah! Warum?“
    „Weil – hahahaha! Weil wir ihn nicht als Gentleman behandelten, wie er es lächerlicherweise verlangte.“
    „Nein, sondern weil man mir mit Einsperrung und Prügel drohte“, fiel ‚Geierschnabel‘ ein.
    Der Kommissar warf ihm einen drohenden Blick zu und sagte:
    „Er hat zu antworten, wenn Er gefragt wird.“
    „Ich kann nicht warten, bis es irgendwem beliebt, mich zu fragen“, antwortete ‚Geierschnabel‘ furchtlos. „Meine Zeit ist mir kurz zugemessen, ich muß mit dem nächsten Zug fort.“
    „Wohin?“
    „Ich habe keine Veranlassung, das zu jedermanns Ohren zu bringen.“
    „Ah! So, so! Und ich werde es wohl auch nicht erfahren?“
    „Wenn Sie die dazu gehörige Kompetenz besitzen und mich in höflicher Weise befragen, so werde ich die Auskunft nicht verweigern.“
    Der Kommissar lachte höhnisch.
    „Nun, die nötige Kompetenz besitze ich, und mit Höflichkeit werde ich Ihn so weit bedienen, als mir angemessen scheint. Was hat Er da in dem Lederschlauch?“
    „Eine Büchse.“
    „Ein Gewehr? Ah! Hat Er einen Waffenpaß?“
    „Ja.“
    „Was hat Er da in dem Sack?“
    „Verschiedenes!“
    „Das genügt nicht. Zähle Er das einzelne auf!“
    „Das ist nicht meine Sache. Wer hier wissen will, was drin ist, der mag nachsehen. Übrigens erlaube ich mir die Frage, ob dies hier das Zimmer ist, in welchem Sie mit mir zu verhandeln haben. Ich habe bereits gesagt, daß ich zur Auskunft bereit bin, aber nicht vor jedermanns Ohren. Es ist kein Wunder, wenn man dann renitent genannt wird.“
    „So trete Er ein!“
    Er trat bei diesen Worten in sein Zimmer zurück und gab dem Polizisten dabei einen Wink, den Sack und das Gewehr hineinzubringen.
    ‚Geierschnabel‘ trat ein und bemerkte, daß sich noch ein zweiter Herr in dem Zimmer befand. Dieser sah dem anderen so ähnlich, daß man sofort erriet, daß diese beiden Brüder seien. Er trug einen langen, dicken, gut gepflegten Schnurrbart und hatte, trotzdem er in Zivil gekleidet war, ein entschieden militärisches Aussehen. Was am meisten an ihm auffiel, das war sein rechter Arm. Aus dem rechten Ärmel ragte nämlich ein feiner Glacehandschuh hervor, dem man es ansah, daß er keine lebendige Hand bedecke.
    Er betrachtete den Eintretenden mit halb erstaunten und halb belustigten

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