47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
der Wald. Was innerhalb desselben vorging, konnte man vom Fluß aus nicht sehen.
Hier im Wald machte die Truppe halt.
Unterdessen war Lord Lindsay in die Nähe dieser Stelle gelangt, ohne zu ahnen, daß auf dem rechten Ufer ihm eine so bedeutende Schar von Männern folge, welche im Sinne hatten, ihm seine Ladung fortzunehmen.
Die Sonne stand ziemlich tief, als der vorderste Dampfer die Krümmung erreichte. Der Lord stand mit ‚Geierschnabel‘ neben dem Steuermann.
„Wie weit haben wir noch bis zur Mündung des Sabina?“ fragte der erstere den Jäger.
„Wir werden sie morgen mittag erreichen und dann in den Sabina einbiegen. Wir fahren da allerdings einen Winkel. Wer den Weg kennt und ein gutes Pferd besitzt, kann den Ort, an welchem wir erwartet werden, in der kürzesten Zeit erreichen. Aber, sehen Sie, Mylord. Steht dort links an der kahlen offenen Bank nicht ein Mann?“
„Allerdings“, antwortete der Gefragte. „Jetzt setzt er sich nieder.“
„O nein“, meinte der Steuermann. „Der war nicht niedergesetzt, sondern niedergesunken. Der Mann scheint verletzt zu sein.“
„Jetzt erhebt er sich wieder, aber nur höchst mühsam“, sagte ‚Geierschnabel‘. „Er winkt. Es scheint, wir sollen ihn mitnehmen.“
„Tun wir das“, bat Amy, welche herbeigetreten war. „Wollen wir nicht ein Boot aussetzen, Papa?“
„Ich denke allerdings, daß wir dies tun sollten“, antwortete er. „Wir dürfen einem Unglücklichen, der hilflos in der Wildnis liegt, den Beistand nicht verweigern.“
„Hören wir erst. Er ruft“, sagte ‚Geierschnabel‘.
Sie sahen, daß der Mann die Hände an den Mund legte.
„Juarez!“
Nur dies eine Wort rief er herüber, und es schien die beabsichtigte Wirkung hervorzubringen.
„Ein Bote des Präsidenten“, sagte der Lord. „Wir müssen ihn aufnehmen. Ich selbst werde mit an das Ufer gehen, um mit ihm zu sprechen.“
„Das werden Sie nicht tun, Mylord. Wir befinden uns hier im Urwald, und Sie dürfen sich nicht exponieren. Es genügt ein Boot auszusetzen und den Mann zu holen. Und das werden wir jetzt sogleich tun.“
Er gab den Befehl, und bald ruderten zwei Männer dem Ufer zu.
Man sah von dem kleinen Dampfer aus, welcher unterdessen beigelegt hatte, was der zweite ebenso tat, daß die beiden Ruderer an das Ufer stiegen, das Boot befestigten und sich zu dem Mann begaben, welcher liegen blieb. Sie sprachen mit ihm, kehrten dann ohne ihn in das Boot zurück und kamen wieder herbei gerudert. Während der eine im Boot blieb, kam der andere an Bord gestiegen.
„Nun, warum bringt ihr ihn nicht mit?“ fragte der Lord.
„Er ist vom Pferd gestürzt, hat sich dabei schwer verletzt. Er leidet fürchterliche Schmerzen, wenn man ihn anfaßt, darum bat er uns, ihn liegen zu lassen, er sei tödlich verletzt und werde sowieso sterben müssen. Sein Pferd ist im Wald mit ihm durchgegangen und hat ihn an einen Baum geschleudert. Als er wieder zu sich gekommen, hat er sich bis an das Ufer geschleppt.“
„Der arme Mann. Man muß ihn dennoch holen“, sagte Amy.
„Warum aber winkte er uns, wenn er unsere Hilfe von sich weist?“ fragte ‚Geierschnabel‘.
„Er ist ein Bote von Juarez. Er hat den Auftrag erhalten, sich am Fluß aufzustellen und Lord Lindsay zu erwarten, um ihm eine höchst wichtige Nachricht mitzuteilen“, antwortete der Mann.
„Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Juarez weiß, wo er uns zu erwarten hat. Sendet er uns wirklich einen Boten entgegen, so kann es nur sein, weil er das Rendezvous verändert hat oder Grund findet, uns vor irgend einer Gefahr zu warnen. Übrigens, warum richtet der Mann da drüben seine Botschaft nicht an dich aus?“
„Er verlangt Sir Lindsay selbst zu sprechen, weil die Botschaft zu wichtig sei, als daß er sie einem anderen sagen könne.“
„Das kommt mir verdächtig vor. Hast du sein Pferd gesehen?“
„Nein. Es war ja mit ihm durchgegangen.“
„Gab es keinen Fußstapfen in der Nähe?“
„Man konnte nichts sehen. Der Boden ist felsig.“
„Den nahen Waldrand hast du nicht beobachtet?“
„Doch, aber es war nichts Verdächtiges zu bemerken.“
„Ich werde wohl hinüber fahren müssen“, meinte der Lord.
„Papa, bleibe da“, bat Amy. „Ich ahne, daß du dich dabei in Gefahr befindest.“
„Ich muß aber doch wissen, was Juarez mir sagen läßt.“
„Der Bote wird es auch einem anderen mitteilen.“
„Nein, das tut er nicht“, bemerkte der Bootsmann. „Er hat mir ausdrücklich aufgetragen,
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