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47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile

Titel: 47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht?“
    „Sind Sie bestellt worden?“
    „Ich weiß nichts davon.“
    „In welcher Angelegenheit kommen Sie?“
    „Das wird er erfahren, sobald ich bei ihm bin.“
    „Ah!“ lachte der Portier. „Sie denken wohl, mit der Exzellenz zu sprechen, das sei ganz dasselbe, als wenn man zu seinem Schneider geht?“
    „Ja. Ich kenne Schneider, die auch ganz exzellent sind.“
    „Aber eine Exzellenz ist darum noch kein Schneider.“
    „Meinetwegen. Ich bitte Sie, mich passieren zu lassen. Meine Angelegenheit ist sehr wichtig.“
    „So müssen Sie den gewöhnlichen, vorgeschriebenen Dienstweg gehen.“
    „Dienstweg, was ist das?“
    „Da muß ich erst wissen, in welcher Angelegenheit Sie kommen. Ist es eine Privatsache, eine diplomatische oder sonstwie?“
    „Es wird wohl eine ‚sonstwie‘ sein.“
    „Na“, meinte der Portier jetzt ernster, „wenn Sie denken, daß ich nur vorhanden bin, damit Sie sich mit mir einen Scherz machen können, da irren Sie sich. Wenn Sie ‚sonstwie‘ kommen, da gehen Sie nur immerhin auch ‚sonstwo‘ hin. Wir sind fertig.“
    ‚Geierschnabel‘ nickte ihm vertraulich zu.
    „Das denke ich auch“, meinte er freundlich. „Ich hätte auch keine Zeit gehabt, Sie weiter zu belästigen. Adieu!“
    Aber anstatt fortzugehen, wendete er sich dem Inneren des Gebäudes zu.
    „Halt!“ rief der Portier abermals. „So war das nicht gemeint!“
    „Wie denn?“
    „Sie dürfen nicht passieren.“
    „Ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen.“
    Er faßte den Mann an und schob ihn zur Seite. Er hatte aber noch nicht fünf Schritte getan, so hielt ihn der Portier abermals fest.
    „Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie sich entfernen sollen!“ rief er.
    „Das tue ich ja auch“, meinte ‚Geierschnabel‘.
    „Ich meine aber auswärts.“
    „Und ich meine einwärts.“
    „Gehen Sie nicht gutwillig, so brauche ich mein Recht!“
    „Und ich meine Hände.“
    „Sie werden wegen Hausfriedensbruch arretiert!“
    „Möchte den sehen, der das fertig brächte! Machen Sie nun endlich Platz!“
    Dabei faßte er den Portier, schob ihn zur Seite und erreichte die Treppe, ehe es dem Bediensteten gelang, ihn abermals festzuhalten. Es hätte sich jetzt ein viel heftigerer Wortwechsel entsponnen, wenn nicht ein Herr erschienen wäre, welcher zur Treppe herab kam und die kleine Balgerei bemerkte. Er trug einen einfachen Uniformrock und die Mütze auf dem grauen Haupt. Sein Gang war fest und sicher, seine Haltung militärisch stramm, aber in seinem Gesicht lag ein Zug herablassenden Wohlwollens, und sein Auge blickte mit einer Art freundlicher Mißbilligung auf die beiden Männer, welche sich hin und her zogen und schoben.
    Der Portier ließ beim Anblick des Mannes seinen Gegner sofort los und stellte sich in Achtung. ‚Geierschnabel‘ bemerkte das nicht, er benutzte diesen Augenblick der Freiheit zu zwei raschen Schritten, mit denen er gleich drei und drei Stufen auf einmal nahm, so daß er nun auf einer und derselben Stufe mit dem herabsteigenden Herrn zu stehen kam. Dann rückte er mit der Hand an dem Hut und sagte:
    „Good morning, alter Herr! Können Sie mir wohl sagen, in welcher Stube ich die Exzellenz von dem Minister Bismarck finde?“
    Der ‚alte Herr‘ besah sich den Frager. Sein Schnurrbart zuckte ein wenig, und dann fragte er:
    „Sie wollen mit Exzellenz sprechen?“
    „Ja.“
    „Wer sind Sie?“
    „Hm. Das darf ich nur der Hoheit dieses Ministers sagen.“
    „So. Sind Sie bestellt worden?“
    „Nein, my old master!“
    „Dann werden Sie sich wohl unverrichteter Sache entfernen müssen.“
    „Das geht nicht. Meine Sache ist sehr wichtig.“
    „So, so. Eine Privatsache?“
    Der ‚old master‘ machte doch einen nicht gewöhnlichen Eindruck auf den Präriemann. Einem anderen hätte dieser keine Antwort gegeben, hier aber meinte er:
    „Eigentlich brauche ich das Ihnen nicht zu sagen, aber Sie haben so ein Stück von einer Art von Gentleman an sich, und da will ich nachsichtig sein. Nein, es ist keine Privatangelegenheit.“
    „Was sonst für eine?“
    „Ja, weiter kann ich wirklich nichts entdecken.“
    „Ist es denn gar so ein großes Geheimnis?“
    „Das versteht sich.“
    „Haben Sie denn keinen Herrn, der Sie bei Seiner Exzellenz einführen oder anmelden könnte?“
    „Das schon. Aber er ist nicht hier. Er kommt erst später, und ich wollte nicht länger warten.“
    „Wer ist diese Person?“
    „Eine Person ist es nicht, sondern ein

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