47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
verminderte. Auch das Fieber ließ nach.
Jetzt kroch er an das Land, eine ganze Strecke durch Schilf und Sträucher, um sich eine Lagerstelle zu suchen.
„Zunächst muß ich mich verstecken“, murmelte er, „damit mich meine Leute nicht finden, wenn sie etwa suchen sollten.“
Nur durch den Tastsinn konnte er sich überzeugen, ob er an einer Stelle sei, welche ihm Bergung gewährte. Dann streckte er sich hin.
„So bin ich wenigstens nicht ertrunken!“ sagte er sich. „Noch habe ich Glück. Wer weiß, auf welche Art ich noch Rettung finde!“
Die Anstrengung, der Schmerz und das Fieber hatten ihn so angegriffen, daß er in einen Schlaf versank, welcher zwar unruhig war, ihm aber doch für diese Zeit Vergessenheit gewährte. Er wurde durch die Kälte geweckt und fühlte an dem Hauch des sich erhebenden Windes und an dem eigentümlichen Nebelgeruch, daß der Morgen nahe sei.
„Was wird der Tag mir bringen?“ fragte er sich.
Aber eine Antwort konnte er sich nicht geben. Doch bald fand sich etwas, was ihm tausendmal lieber war, als wenn er sich diese Frage hätte beantworten können. Er merkte nämlich, daß das Sehvermögen seines linken Auges noch nicht erloschen sei. Als die Sonne ihre ersten Strahlen auf das Wasser warf, so daß die Oberfläche desselben goldig glitzerte, war es ihm, als ob er dieses Gold in seinem Auge leuchten sähe. Dies war keine Täuschung. Zwar war das Auge sehr entzündet, aber von Viertelstunde zu Viertelstunde besserte es sich, und als es Mittag war, konnte er bereits seine Hände bemerken, wenn er sie nahe genug an das Auge hielt.
Während ‚Geierschnabel‘ ihm mit dem Revolverlauf das eine Auge geradezu herausgebohrt hatte, war er mit dem anderen Lauf etwas zu hoch gekommen und hatte nur mehr die äußeren Teile des Auges verletzt, welche nun allerdings bedeutend geschwollen waren.
So verging noch eine Zeit. Da horchte Cortejo auf. Es war ihm, als ob er Pferdegetrappel gehört habe. Ja, richtig! Jetzt erklang ein lautes Schnauben, welches nur von einem Pferd herrühren konnte.
Wer kam? Wer war das, welcher nahte? Sollte Cortejo rufen? Es konnte ein Feind sein, aber auch einer, welcher bereit gewesen wäre, ihn zu retten.
Indem er noch so nachsann, hörte er in französischer Sprache die Worte:
„Immer toll, Rappe! Laß doch den Braunen gehen!“
Ein Franzose. Ah, das war gefährlich. Die Hoffnung Cortejos fiel wieder bis unter Null herab. Aber einige Zeit darauf erklang es abermals:
„Nun hinein ins Wasser! Drüben ist unsere Hütte und besseres Futter!“
Unsere Hütte? Der Mann wohnte also drüben am texanischen Ufer. Er war kein Feind, kein Franzose, kein Mexikaner. Cortejo beschloß, es zu wagen.
„Hallo!“ rief er.
Es blieb alles ruhig, außer daß er es im Wasser plätschern hörte.
„Hallo!“ wiederholte er, dieses Mal lauter.
Und da ließ sich auch eine Antwort hören:
„Hallo! Wer ruft denn da am Land?“
„Ein Verunglückter, welcher Hilfe sucht!“
„Ein Verunglückter? Da darf man nicht zögern. Wo stecken Sie?“
„Hier.“
„Ja, wo ist das ‚hier‘? Geben Sie mir den Baum oder Strauch an. Ich schwimme nämlich mit den Pferden im Wasser.“
„Ich kann das nicht angeben, denn ich bin blind.“
„Donnerwetter! Blind in dieser Wildnis? Das ist schlimm! Aber ich komme bereits. Rufen Sie noch einmal, damit ich mich nach Ihrer Stimme richten kann.“
„Hallo! Hallo!“
„Gut, jetzt weiß ich es! Na Rappe, nimm wieder Land. Wir schwimmen später.“
Cortejo hörte ein Gestampfe von Hufen und dann die Tritte der Tiere, welche sich ihm näherten. Dann sprang neben ihm ein Mann zu Boden.
„Mein Gott, Señor, wie sehen Sie aus!“ rief derselbe.
„Schlecht, nicht wahr?“
„Zum Erbarmen! Wer sind Sie?“
„Davon später. Sagen sie mir zunächst, wer Sie sind!“
„Eigentlich hätte ich das Recht, auf die Beantwortung meiner Frage zu dringen, da ich es bin, der Ihnen zu Hilfe kommt.“
„Sie haben recht. Aber ich kann nicht sehen; ich muß doppelt vorsichtig sein.“
„Gut, ich will das gelten lassen. Ich bin ein Jäger von drüben herüber.“
„Ein Texaner?“
„Ja.“
„Wohl ein Yankee?“
„Ja, aber französischer Abstammung.“
„Woher kommen Sie?“
„Von Cohahuila.“
„Ah! Welcher Parteirichtung gehören Sie an?“
„Gar keiner.“
„Sie sagen die Wahrheit?“
„Ja. Was kümmern mich die Parteihändel! Ich bin Mann für mich.“
„Wie heißen Sie?“
„Grandeprise.“
„Grandeprise? Ah,
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