47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
das ist ein höchst eigentümlicher Name.“
„Wenigstens ist er selten.“
„Und dennoch habe ich ihn bereits gehört.“
„Wo?“
„An verschiedenen Orten. Haben Sie Verwandte?“
Das war dem Mann denn doch zuviel.
„Hört, Señor“, sagte er, „Sie scheinen wahrhaftig aus lauter Fragen zusammengesetzt zu sein. Ich denke aber, es würde besser sein, wir sähen einmal nach Ihren Augen, als daß wir uns mit solchen müßigen Erkundigungen beschäftigen.“
„Verzeihung, Señor Grandeprise! Sie haben recht. Sehen Sie mich einmal an!“
Der Mann bog sich zu ihm herab und sagte:
„Sagen Sie mir doch um Gottes willen, wie Sie zu dieser Blessur gekommen sind!“
„Man hat es förmlich darauf abgesehen, mich des Augenlichtes zu berauben.“
„Aber warum?“
„Aus politischer Mißgunst. Haben Sie einmal den Namen Cortejo gehört?“
„Ja. Sie meinen doch den sonderbaren Kerl, der das Bild seiner Tochter in alle Welt verschenkt, weil er gedenkt, dadurch Präsident von Mexiko zu werden?“
„Ja, den meine ich. Was halten Sie von ihm?“
„Daß es der größte Esel ist, den es nur geben kann. Er wird überall ausgelacht.“
Diese Worte gaben Cortejo einen Stich durch die Seele. Also er hatte so große Opfer gebracht, nur um sich unsterblich zu blamieren!
„Wissen Sie vielleicht, wo er sich befindet?“ fragte er.
„Nein. Mir ist es ganz gleich, wo solche Kerls stecken. Wäre ich nicht ganz zufälligerweise Juarez begegnet, so wüßte ich auch nicht, wo er ist.“
„Ah! Sie sind Juarez begegnet?“
„Ja.“
„Wann?“
„Vor ganz kurzer Zeit.“
„Wo?“
„Hier im Wald.“
Das konnte Cortejo gar nicht glauben.
„Das ist ja unmöglich!“ sagte er. „Wie sollte Juarez hier in den Wald kommen!“
„Wie? Nun, sehr einfach: zu Pferd. Ich habe sogar mit ihm gesprochen.“
„Aber er ist ja in Paso del Norte!“
„Wer sagt Ihnen denn das?“
„Einer, der es sehr genau weiß. Ein Engländer, welcher zu ihm will.“
„Ein Engländer, hm, wo haben Sie denn den getroffen?“
„Gestern Nachmittag, hier am Fluß.“
„Alle Wetter, es wird doch nicht etwa – – – beschreiben Sie ihn mir einmal.“
„Ein hagerer, langer Mann mit einer ungeheuren Nase, grauem Anzug mit Regenschirm, Zylinderhut und einem Zwicker auf der Nase.“
„Ah, das war ein Engländer?“
„Ja.“
„Da irren Sie sich nun allerdings gewaltig.“
„Wer sollte es denn sein?“
„Das war ‚Geierschnabel‘, der Jäger und Pfadfinder, aber kein Engländer.“
„‚Geierschnabel‘? Ich dachte, von diesem Mann hätte ich schon einmal sprechen hören.“
„Er ist berühmt hier an der ganzen Grenze herum. Aber ich sage Ihnen noch einmal, wir wollen erst nach Ihren Augen sehen, dann können wir weitersprechen. Es wird notwendig sein, Sie zu verbinden. Haben Sie kein Tuch oder so etwas bei sich?“
„Ich hatte eins, aber es ist mir verlorengegangen.“
„Nun, so kann ich Ihnen das meinige geben. Wie ich sehe, ist Ihr rechtes Auge vollständig fort. Das linke ist vielleicht noch zu retten. Die Lider sind so dick geschwollen, daß man den eigentlichen Augapfel gar nicht sehen kann. Ich werde Sie verbinden.“
Er ging an das Wasser, tauchte sein Tuch in dasselbe und band es ihm um die Augen.
„So, das mag einstweilen genügen“, sagte er dann. „Ich kenne das indianische Wundkraut. Wir werden es suchen und finden, und dann sollen Sie sehen, wie schnell sich die Verletzung bessern wird. Ich werde Sie auf meinem Pferd über den Fluß bringen, und dann können Sie die Heilung bei mir in Ruhe abwarten.“
„Das geht nicht, Señor.“
„Warum nicht?“
„Ich muß unbedingt zu den Meinen.“
„Wo sind sie?“
„Ist Ihnen vielleicht die Hacienda del Erina bekannt?“
„Welche dem alten Pedro Arbellez gehört? Ja. Ich bin einige Male dort eingekehrt.“
„Nun, dort befinden sich die Leute, welche mich erwarten.“
„So sind Sie wohl gar ein Verwandter von Pedro Arbellez?“
Cortejo getraute sich nicht, die Wahrheit einzugestehen. Er antwortete:
„Ja, Arbellez ist ein sehr naher Verwandter von mir. Sind sie vielleicht einmal droben auf Fort Guadeloupe gewesen, Señor?“
„Ja, Señor.“
„So kennen Sie wohl den alten Wirt Pirnero dort?“
„Der nur von Schwiegersöhnen spricht? O den kenne ich sehr gut.“
„Er ist mein Verwandter ebenso wie Arbellez. Auch ich heiße Pirnero. Ich komme von ihm; ich wollte nach Camacho hinab und dann nach del Elina. Nicht weit von hier
Weitere Kostenlose Bücher