48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Gerard erblickte, den sie ja von dem Fort Guadeloupe her kannte. Es gab auf der Hacienda eine Aufregung, welche sich nur langsam wieder legte, und ein Erzählen und Berichten, welches kein Ende nehmen wollte.
Nur einer blieb sich gleich, ohne sich aufregen zu lassen, der ‚Schwarze Gerard‘ nämlich. Kaum war er dem Haziendero vorgestellt worden, so litt es ihn nicht in dem engumschlossenen Zimmer; er ging hinaus ins Freie. Vor der Tür trat ihm Doktor Berthold entgegen, welcher sich mit Doktor Willmann nebst Pepi und Zilli noch auf der Hacienda befand.
„Ah, welche Überraschung“, rief der Arzt. „Monsieur Mason. Sie sind also gesund und wohl?“
„Gott sei Dank, ja“, antwortete der Gefragte. „Ich bin mit Pirnero und Resedilla soeben erst hier angekommen.“
„Diese beiden sind da?“ fragte der Arzt erstaunt.
„Ja.“
„In welcher Angelegenheit?“
„Hm! Ich will es eine Besuchsreise nennen. Pirnero ist ja mit Arbellez verwandt. Da oben gibt es nun eine Menge Szenen, eine Aufregung, ein Fragen und Horchen, daß ich förmlich geflohen bin. Aber Monsieur, von unseren Bekannten ist ja kein Mensch zu sehen!“
„Wen meinen Sie?“
„Sternau.“
„Ah, der ist verschwunden.“
„Verschwunden? Was soll das heißen? Er ist verreist?“
„Nein. Er ist verschwunden, es muß ihm ein Unfall begegnet sein; das will ich mit diesem Worte sagen.“
„So will ich hoffen, daß Sie sich irren.“
„Leider irre ich mich nicht. Sternau ist fort und die anderen mit ihm, ohne daß wir wissen, wo sie sich befinden.“
„Die anderen? Wen meinen Sie?“
Der Arzt zählte ihm die Namen her.
„Tod und Teufel“, rief Gerard. „Das klingt ja grausig. Kommen Sie, kommen sie, Monsieur. Wir gehen da in den Garten, wo Sie mir das alles erzählen werden.“
Der Arzt tat ihm den Willen und berichtete ihm alles, was geschehen war von der Ankunft Donnerpfeils bis zum rätselhaften Verschwinden des alten Grafen.
Gerard hatte zugehört, ohne ein Wort dazu zu sagen. Als der Arzt aber geendet hatte, fragte er:
„Hat man nicht nach dem Grafen geforscht?“
„Natürlich hat man dies getan.“
„Mit welchem Erfolg?“
„Ohne jeden Erfolg.“
„Unmöglich! Hat man keine Spur entdeckt?“
„Keine.“
„Aber man muß doch irgend etwas gesehen haben – die Tapfen von Menschen und Pferden.“
„Ach! Wer gibt darauf acht.“
„Aber der Graf kann doch nicht zum Fenster hinausgestiegen sein.“
„Man fand sein Fenster verschlossen.“
„Aber die Tür geöffnet?“
„Ja, ich glaube.“
„Sonderbar. War denn nicht ein guter Jäger in der Nähe, der die Umgebung hätte absuchen können?“
„Nein. Übrigens war die allgemeine Bestürzung ganz außerordentlich. Jeder war auf das Heftigste erschrocken und tat, was er nach seiner Weise für das Richtige hielt.“
„Hatten sich am Tage vorher nicht verdächtige Leute blicken lassen?“
„Nein.“
„War kein Besuch auf der Hacienda?“
„O doch!“
„Wer war das?“
„Der Sohn eines Alkalden, welcher von Señor Mariano an den Grafen geschickt wurde.“
„Ah! Da scheint es licht zu werden.“
„O nein, es wird vielmehr noch dunkler.“
„Wieso?“
„Dieser Bote ist uns auch ein Rätsel gewesen.“
„Das glaube ich“, meinte der ‚Schwarze Gerard‘ in fast mitleidigem Ton. „Was sollte er beim Grafen?“
„Señor Mariano schickte ihn, uns sagen zu lassen, daß Josefa gefangen sei, und daß man Pablo Cortejo auch baldigst festnehmen werde.“
„Wer war der Mann?“
„Er sagte, daß er der Sohn des Richters aus Sombrerete sei.“
„Und Ihr habt das geglaubt?“
„Natürlich. Er legitimierte sich ja durch den Ring von Señor Mariano, welchen er mitbrachte.“
„Und welchen er wieder mitnahm?“
„Nein. Don Ferdinande hat ihn behalten. Der Ring ist Hunderttausende wert, Ihr seht also, daß der Mann ehrlich war.“
„Wann ging er wieder fort?“
„Am anderen Morgen.“
„Wer war bei ihm?“
„Kein Mensch. Ich habe ihn fortreiten sehen, es war am hellen Tag.“
„Hm!“ brummte der Jäger nachdenklich. „Erlauben Sie. Verzeihen Sie. Das ist eine Sache, welche sich keine Sekunde aufschieben läßt.“
Er drehte sich rasch um und eilte nach dem Haus zurück.
Dort waren alle im Empfangszimmer. Pirnero und Resedilla hatten erwartet, Sternau und dessen Freunde auf der Hacienda zu sehen, oder wenigstens gute Nachricht über sie zu erhalten. Es war leicht erklärlich, daß beide nach ihnen fragten, und so kam es,
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