48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
diese hier.“
„Das ist mir lieb. Wohin führt es?“
„Nach dem Hof.“
„Ist die Stelle des Hofes, welche unter demselben liegt, viel betreten?“
„Gar nicht. Es liegen seit einigen Jahren Bausteine und einige Baumstämme da, die ich zur Ausbesserung des Stalles benutzen wollte, aber doch nicht benutzt habe.“
„Ist zwischen diesen Stämmen und Steinen und der Mauer Raum?“
„Ja.“
„Wieviel?“
„Drei Fuß ungefähr.“
„Und niemand kommt dorthin?“
„Kein Mensch.“
„Gut. Ihr hättet dort suchen lassen sollen. Spuren nach monatelanger Zeit zu finden ist nicht wahrscheinlich; aber ich will wenigstens nicht versäumen, nachzusehen. Führt mich doch einmal nach dem Zimmer.“
Sein sicheres, bestimmtes Auftreten machte Eindruck. Voll der gespanntesten Erwartung begaben sich alle nach dem erwähnten Zimmer, wo Gerard sofort zum Fenster trat, um es zu öffnen und zu untersuchen. Sie folgten jeder seiner Bewegungen mit der größten Aufmerksamkeit. Es waren auch kaum drei Augenblicke vergangen, so zeigte es sich, daß er der richtige Mann sei, zu finden, was er suchte. Er wendete sich zu Arbellez:
„Habt Ihr irgend jemand im Verdacht gehabt, Señor?“
„Nein“, antwortete der Gefragte.
„Hm! Auch den Boten aus Sombrerete nicht?“
„Nein. Wie kann ein Verdacht auf ihn fallen? Er legitimierte sich durch den Ring, den er brachte.“
„Er ritt am hellen Tage wieder fort?“
„Ja, am hellen Morgen.“
„Habt Ihr seitdem aus Sombrerete eine Nachricht erhalten?“
„Von dem Richter oder seinem Sohn nicht.“
„Von wem sonst?“
„Von Lord Lindsay.“
„Ah! Der war ja auf der Hacienda, als der Graf verschwand.“
„Ja, er und Amy, seine Tochter. Sie begaben sich kurze Zeit darauf nach dem Hauptquartier des Juarez, und auf diesem Weg machte der Lord einen Abstecher nach Sombrerete.“
„Mit welchem Resultat?“
„Er ließ mir mitteilen, daß der Richter von Sombrerete weder einen Sohn habe noch von der Angelegenheit etwas wisse.“
„Das dachte ich mir. Aber man muß vorsichtig sein. War der Bote, den er sandte, zuverlässig?“
„Im höchsten Grad, denn es war einer meiner Vaqueros, welchen der Lord zu diesem Zweck mitgenommen hatte.“
„Das beweist, daß der Lord klug war und dem vermeintlichen Sohn des Richters gleich von vornherein mißtraut hat.“
„Das tat er allerdings“, meinte die alte Marie Hermoyes.
„Ihr aber nicht?“ fragte Gerard.
„Es war ja gar kein Grund dazu“, antwortete Arbellez.
„Auch nun noch nicht?“
„Hm! Das ist eben unbegreiflich. Wir haben ihn kommen und wieder fortreiten sehen; er war allein. Er hat den Ring gleich abgegeben. Wäre er ein schlechter Mensch gewesen, so hätte er denselben behalten, denn der Diamant war ein ganzes Vermögen wert.“
Gerard lächelte still vor sich hin, betrachtete das Fenster noch einmal und sagte dann:
„Auch dieser Fensterrahmen ist ziemlich morsch. Betrachtet Euch doch einmal diese Stelle im untersten Teil des Rahmens.“
Die Anwesenden taten, wozu er sie aufgefordert hatte, und blickten ihn dann hilflos an.
„Nun, was habt Ihr gesehen, Señor Arbellez?“ fragte er.
„Einen Strich, eine schmale Vertiefung im Rahmen“, antwortete dieser.
„Wie sieht diese Vertiefung aus?“
„Hm! Als ob man mit einem schmalen, stumpfen Gegenstand auf den Rahmen gedrückt hätte.“
„Nicht genau so“, entgegnete der Jäger. „Hier ist nicht gedrückt worden, sondern hier hat man etwas über den Rahmen gezogen. Seht euch die Vertiefung genau an. Rührte sie von einem Strick, so wäre sie glatt. Wie aber findet Ihr sie?“
„Rauh.“
„Ja, sie rührt augenscheinlich von einem Lasso her, der aus verschiedenen Riemen zusammengeflochten war. Dieser Lasso war nicht der eines Jägers, denn er war schlecht und holprig gearbeitet. Weiter. Welche Richtung haben die Holzfasern, welche von dem Lasso am Rahmen abgeschliffen wurden?“
„Sie gehen nach außen“, antwortete Arbellez.
„Gut. Das beweist, daß am Lasso eine Last gehangen hat, welche man nicht in das Zimmer, sondern aus demselben hinaus und hinunter in den Hof transportiert hat. Kommt mit hinab.“
Er verließ den Raum und begab sich in den Hof. Die anderen folgten. Sie begannen das, was er sagte, zu glauben.
„Ein verdammt gescheiter Kerl. Nicht wahr?“ fragte Pirnero seinen Schwager leise.
„Es scheint so“, nickte dieser.
„Ja, das kommt daher, daß er der Verlobte von Resedilla ist. Kennst du die Abstammung vom
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