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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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daß auch hier im Empfangszimmer dasselbe Thema verhandelt wurde, wie unten im Garten zwischen dem Arzt und Gerard. Der alte Haziendero hatte eben von dem rätselhaften Verschwinden des Grafen erzählt, und alle hatten seinem Bericht gelauscht, als Gerard eintrat. Er hörte noch die Worte Pedros, welcher mit der Bemerkung schloß, daß nur der leibhaftige Teufel hierbei sein Spiel gehabt haben müsse.
    Einige der Hörer schlossen sich diesem Urteil an; keiner aber kam auf den Gedanken, welcher der allein richtige war. Pirnero meinte sogar zu dem Haziendero: „Also ihr habt noch nicht entdeckt, wohin der Graf verschwunden ist?“
    „Nein. Es wird wohl auch niemand entdecken.“
    „O, da dürftest du dich irren.“
    „Wieso?“
    „Weißt du was ein Diplomat ist?“
    „Ja.“
    „Nun also! Vor einem Diplomaten und Politiker bleibt nichts verborgen. Auch diese Sache wird bald an den Tag kommen.“
    „Du meinst durch einen Politiker?“ fragte Arbellez.
    „Ja“, antwortete Pirnero in stolzem Ton.
    „Wer sollte das sein?“
    „Hm! Ahnst du das nicht?“
    „Nicht im geringsten.“
    „So bist du eben nicht das, was man einen Diplomaten nennt. Als Juarez bei uns in Fort Guadeloupe war, habe ich ihm höchst wichtige Ratschläge erteilt, er hat sie befolgt und gewinnt nun Schlacht auf Schlacht und Sieg auf Sieg.“
    Arbellez machte ein sehr erstauntes Gesicht und sagte:
    „Ah, meinst du etwa, daß du selbst –“
    Er vollendete den Satz nicht, weil er die Gaben und Eigentümlichkeiten seines Schwagers sehr gut kannte.
    „Was denn? So rede doch weiter. Daß ich selbst –“
    „Daß du selbst ein Politiker seist?“
    „Ja, dieses meine ich. Oder glaubst du das nicht?“
    „Hm! Es müßte bewiesen werden.“
    „Oho! Während der Anwesenheit Juarez war ich nahe daran, Gouverneur einer der nördlichsten Provinzen zu werden.“
    „Oho!“ wiederholte Arbellez denselben Ausruf.
    „Ja! Und ich bin auf dem Weg, mexikanischer Oberst zu werden.“
    „Was du sagst.“
    „Ja. Ich habe euch erzählt, daß ich alles verkauft habe, ich bin frei und mein eigener Herr. Wir drei, ich, Resedilla und ihr Verlobter, werden große Vergnügungsreisen machen und uns dann in einer Residenz niederlassen, London, Paris oder Pirna. Das kann ich nur im Charakter eines bedeutenden Mannes tun, und darum will ich Oberst werden. Bin ich nicht ein Politiker?“
    „Allerdings, nämlich, wenn wirklich alles so ist, wie du sagst.“
    „Natürlich.“
    „Und so meinst du also, daß du auch unser gegenwärtiges Rätsel lösen wirst?“
    „Das versteht sich von selbst. Wer dem Präsidenten Ratschläge erteilt und nun Oberst werden will, dem wird es doch wohl gelingen, den Grafen Rodriganda aufzufinden.“
    „Aber wie willst du das anfangen?“
    „Da ich es eben erst erfahren habe, so hatte ich noch keine Zeit, es mir zu überlegen, werde aber schleunigst darüber nachdenken, lieber Schwager.“
    Da fiel Gerard ein:
    „Das ist nicht nur unnötig, sondern sogar schädlich.“
    „Wieso?“
    „Unnötig, weil derjenige, der nicht sofort auf das Richtige kommt, es auch durch das schärfste Nachdenken nicht finden wird. Und schädlich, weil man durch das Nachsinnen eine kostbare Zeit verlieren würde, während welcher man zu handeln hat.“
    „Ah, mein Junge, willst du etwa der Politiker sein, welcher hier gebraucht wird?“
    „Ja. Ich bin überzeugt, daß ein echter, findiger Prärieläufer dazu gehört, das gut zu machen, was hier unterlassen worden ist.“
    „Unterlassen?“ fragte Arbellez. „Ich bin überzeugt, daß wir alles getan haben, was notwendig war, Aufklärung zu erhalten.“
    „So? Nun, was habt Ihr denn getan?“
    „Nun – hm! Alles“, antwortete Arbellez, einigermaßen verlegen.
    „Ah, ich sehe, wie es steht. Habt Ihr den Boden unter dem Fenster des Grafen untersucht?“
    „Nein. Wozu wäre das nötig gewesen?“
    „Der Graf wurde durch das Fenster entführt.“
    „Unmöglich!“
    „Warum unmöglich?“
    „Weil wir das Fenster von innen verschlossen fanden.“
    „Ja!“ meinte Gerard unter einem überlegenen Lächeln. „Es gehört eben ein Jäger dazu, alles zu begreifen und alles sich zusammenzureimen. Wo liegt das Zimmer, in welchem der Graf damals schlief?“
    „Gleich nebenan.“
    Gerard trat an eines der Fenster und untersuchte dasselbe.
    „Eure Fenster sind sehr alt. Die Rahmen beginnen zu verwittern. Ist das mit dem Fenster in dem betreffenden Zimmer vielleicht ebenso?“
    „Es ist ebenso alt wie

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