48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
gefunden.“
„Was sollte er mit dem Fläschchen gemacht haben? Höchst sonderbar“, meinte Arbellez.
„Auch das werden wir hoffentlich erfahren“, antwortete der Jäger im zuversichtlichen Ton.
Er trat an das Fenster und betrachtete dasselbe.
„Hier ist er eingestiegen“, erklärte er. „Sein Stiefel war mit nasser Erde beschmutzt, wovon ein Teil hier hängenblieb. Ein anderer Teil liegt hier.“
Er leuchtete dabei am Wasserkessel nieder, wo allerdings ein ziemlicher Brocken niedergetretener, nasser Erde lag.
„Was folgt daraus, daß diese Erde hier am Kessel liegt, Señor Arbellez?“ fragte er.
„Daß der Mann am Kessel gestanden hat“, antwortete der Haziendero.
„Richtig. Auch der Kork lag hier; er hat also hier das Fläschchen geöffnet. Aber wozu? Könnt Ihr Euch das vielleicht denken?“
„O, nicht im geringsten.“
„Nun, es sind hier nur zwei Fälle möglich. Erstens, ein fremder Mensch steigt mit einem winzigen, leeren Fläschchen in eine fremde Küche nächtlich ein, um sich am Kessel dasselbe mit Wasser zu füllen. Was sagt Ihr dazu?“
„Das wird niemand einfallen. Draußen fließt Wasser genug.“
„Gut und sehr richtig. Zweitens, ein fremder Kerl steigt während der Nacht heimlich mit einem vollen Fläschchen in eine fremde Küche ein, um dasselbe in den Kessel zu leeren oder auszuschütten! Was sagt Ihr dazu?“
„Bei Gott, das ist das Wahrscheinlichste“, antwortete Arbellez.
„O, das ist nicht nur wahrscheinlich, sondern wohl sicher.“
„Aber was mag er in dem Fläschchen gehabt haben?“
„Vielleicht erfahren wir es.“
„Und wozu hat er es in den Kessel ausgeschüttet?“
„Auch das erfahren wir wohl. Aber kann er etwa einen guten Zweck verfolgt haben?“
„Gewiß nicht.“
„Nun, ich habe das Wasser des Kessels bereits genau betrachtet. Señora Marie, ist etwas Fettiges gestern gekocht worden?“
„Nein“, antwortete die Gefragte. „In diesem Kessel wird nie eine Speise gekocht; er dient nur zur Erwärmung des Wassers, welches wir anderweit brauchen. Und gestern ist er gar mit Sand ausgescheuert worden. Dann haben wir ihn mit gutem Quellwasser gefüllt. Das Wasser muß rein sein.“
„Kann es nicht ein wenig fettig sein?“
„Unmöglich.“
„Nun, an einigen Stellen des Randes haben sich Gruppen von winzigen wasserhellen Fettaugen angesammelt. Die Señores Doktoren mögen näher treten, um sich dies zu betrachten.“
Willmann und Berthold waren zugegen. Sie traten zum Kessel und unterwarfen die Fettaugen einer genauen Betrachtung. Sie schüttelten die Köpfe, tauschten leise ihre Ansicht aus, und dann fragte Berthold:
„Ist nicht ein wertloser Hund oder eine Katze zu haben?“
„Alle Teufel! Gift?“ rief Arbellez, welcher sogleich begriff, um was es sich handelte. „Holt die alte, taube Hündin und zwei Kaninchen herbei.“
Die verlangten Tiere wurden zur Stelle geschafft. Die beiden Ärzte ließen die Fettaugen des Wassers durch ein Stück Brot auffangen und gaben dieses den Tieren zu fressen. Bereits nach zwei Minuten starben die beiden Kaninchen, ohne ein Zeichen des Schmerzes von sich zu geben, und nach abermals zwei Minuten fiel auch der Hund ganz plötzlich um, gerade so, als ob er umgeworfen worden sei. Er streckte die alten Glieder und war tot, ohne den leisesten Laut des Schmerzes von sich gegeben zu haben.
„Gift! Wirklich Gift“, rief es rundum.
„Ja“, meinte der Doktor Berthold. „Aber dieses Gift ist mir unbekannt.“
„Mir auch“, fügte sein Kollege bei.
„Aber ich kenne es“, antwortete Gerard. „Es ist das Öl der fürchterlichen Pflanze, welche von den Digger-Indianern Klama-bale genannt wird, das heißt, Blatt des Todes. Ich habe die Wirkung dieses Giftes einige Male beobachtet.“
„Herrgott, welch eine Schlechtigkeit“, rief die alte Hermoyes. „Man steigt hier ein, um jemand unter uns zu vergiften.“
Der Jäger schüttelte sehr ernst den Kopf.
„Jemand unter uns?“ sagte er. „Irrt Euch nicht, Señora. Wer Gift in den Kessel schüttet, aus welchem für alle Wasser genommen wird, der will nicht einen einzelnen, sondern der will alle zugleich vergiften.“
Man kann sich denken, welchen Eindruck diese Worte machten, zumal sich ein jeder sagen mußte, daß Gerard recht habe.
„Wie sehr, wie sehr haben wir Gott zu danken, daß Ihr zu uns gekommen seid“, sagte Arbellez, vor Schreck fast zitternd. „Ohne Euren Scharfsinn wären wir alle morgen tot gewesen.“
Gerard antwortete trocken,
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