48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
ich im Unrecht, wenn ich dieser Ströme wegen den Schuldigen zum Tode verurteile, während ein jeder Richter einen Mörder, welcher nur ein einziges Menschenleben zerstörte, zum Tod verurteilt?“
„Ich wiederhole, daß der, von welchem Sie sprechen, das Glied einer erlauchten Kaiserfamilie ist.“
„Erlaucht? Was nennen Sie erlaucht? Kommt dieses Wort nicht von dem deutschen erleuchten her?“
„Ja.“
„Nun, so stelle ich es Ihnen anheim, den Betreffenden erleuchtet zu nennen, ich aber hüte mich, es zu tun. Und je höher er steht, desto strafbarer ist er. Was würde man in Österreich sagen, wenn ich plötzlich dort mit einem Heer einbräche, um dem Volk zu beweisen, daß ich ein besserer Regent sein würde als –“
Er wurde unterbrochen. Die Tür öffnete sich, und es trat, nein, es stürmte ein Mann herein, an dessen Kleidung man sofort den höheren Offizier erkannte. Nicht groß und nicht klein, nicht schmächtig und nicht dick, trug sein Äußeres das echt mexikanische Gepräge. Seine Gesichtsfarbe spielte in das Gelbliche; seine Züge waren scharf, seine Augen schwarz und glänzend, und die raschen Schritte, mit denen er auf Juarez zueilte, verrieten ein feuriges Temperament und eine große Energie des Charakters.
„Señor Juarez“, rief er, beide Hände zum Gruß ausstreckend.
„General Diaz“, entgegnete Juarez, indem sein Gesicht den Ausdruck des höchsten Erstaunens zeigte.
„Ihr wundert Euch, mich hier zu sehen?“
„Ihr hier in Zacatecas!“ rief Juarez indem er ihn bei den Händen nahm und ihn umarmte.
„Ja, hier, Señor. Ihr seht es ja!“
„Ich vermutete Euch doch jenseits der Hauptstadt!“
„Das war ich auch.“
„Und nun hier? Ist ein Unglück geschehen?“
„O nein. Ich komme im Gegenteil, Euch eine sehr gute Nachricht zu bringen.“
„Ah! So sprecht.“
Diaz sah die beiden anderen an.
„Das sind Señor Sternau und Señor Helmers, zwei Freunde von mir, vor denen ich offen sein kann“, erklärte Juarez.
Die drei verbeugten sich stumm gegeneinander, und dann fragte der General den Präsidenten:
„Habt Ihr meine Botschaften alle erhalten?“
„Die beiden letzten nicht.“
„Sie wurden von dem Gegner aufgefangen. Darum komme ich selbst. Daß die Franzosen aus dem Land sind, wißt Ihr?“
„Ja.“
„Daß Max in Querétaro ist, auch?“
„Auch.“
„Er hat nur noch drei Städte im Besitz: Mexiko, die Hauptstadt, Querétaro und Vera Cruz. In Mexiko kommandiert der Schuft Marquez, welcher die Bürger bis auf das Blut schindet.“
„Gott wird geben, daß er nicht lange mehr befehligt!“
„Ich hoffe es. Ich erwartete Nachricht von Euch. Da ich aber keine erhielt, weil die Boten weggefangen wurden, habe ich auf eigene Faust gehandelt.“
„Ah! Was habt Ihr unternommen?“
„Die drei Städte, welche dem sogenannten Kaiser noch gehören, müssen getrennt werden; ihre Verbindung muß unterbrochen werden. Darum habe ich Puebla belagert und erstürmt.“
„Wirklich?“ fragte Juarez im Ton höchster Freude.
„Ja.“
„Und es ist in Eure Hand gefallen?“
„Natürlich ja.“
„Das ist herrlich! Das ist ein großer Fortschritt. Señor Porfirio, hier meine Hand. Ich danke Euch mit vollem Herzen.“
„Und nun“, fuhr Porfirio Diaz fort, „komme ich selbst, um mit Euch und General Eskobedo das Weitere persönlich zu beraten. Ich will mich jetzt nur anmelden. Befehlt, wenn Ihr zu sprechen seid.“
„Ich werde es Euch und Eskobedo wissen lassen. Jetzt seid Ihr mein Gast. Kommt und laßt Euch führen.“
Die Freude hatte den ernsten Zapoteken förmlich verjüngt und ganz verändert. Er entschuldigte sich gegen Sternau und Helmers, nahm den General beim Arm und führte ihn fort. Erst nach einer längeren Weile kehrte er zurück. Sein Gesicht strahlte vor Vergnügen.
„Señor Sternau“, fragte er, „habt Ihr schon von diesem Porfirio Diaz gehört?“
„Sehr viel“, antwortete der Gefragte.
„Wenn ich an ihn denke oder ihn sehe, erinnere ich mich stets eines Generals des ersten Napoleons, den dieser den Bravsten der Braven zu nennen pflegte.“
„Ah, Sie meinen den Marschall Ney?“
„Ja. Diaz ist mein Marschall Ney. Er ist nicht bloß ein guter und außerordentlich zuverlässiger Militär, sondern auch ein nicht schlechter Diplomat. Ich bin ganz überzeugt, daß er einst mein Nachfolger sein wird. Kennt Ihr die Lage von Puebla?“
„Sehr gut. Ich bin ja durch die Stadt gekommen.“
„Sie liegt zwischen der Hauptstadt und dem
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