48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
Hafen von Vera Cruz. Nun wir sie erobert haben, ist Max von Habsburg verloren. Er ist vom Hafen abgeschnitten und kann uns nicht mehr entgehen.“
Da erhob Kurt bittend die Hände und sagte:
„Señor, ich flehe um Gnade für ihn.“
„Und ich vereinige meine Bitte mit diesem Flehen!“ meinte Sternau.
Juarez blickte sie kopfschüttelnd an. Sein Gesicht hatte einen weichen Zug, einen Zug der Milde angenommen, wie er an ihm nur sehr selten zu bemerken war.
„Ich habe geglaubt, daß Sie mich kennen, Señor Sternau“, sagte er.
„O, ich kenne Sie ja auch!“ antwortete der Doktor.
„Nun und wie denn?“
„Als einen festen, unerschütterlichen Charakter, der unter allen Umständen das hinausführt, was er sich vorgenommen hat.“
„Weiter nichts?“
„Dessen Herz aber doch nicht völlig unter der Herrschaft seines strengen Verstandes steht.“
„Da mögt Ihr recht haben.“
„Darum hoffe ich, daß unsere Bitte keine ganz und gar vergebliche sei.“
„Hm. Was verlangen Sie denn eigentlich von mir?“
„Lassen Sie den Erzherzog entfliehen.“
„Und wenn ich dies nicht vermag?“
„So lassen Sie sein Urteil wenigstens nicht ein Urteil des Todes sein.“
Der Zapoteke schüttelte abermals den Kopf.
„Señores, Sie verlangen zu viel von mir“, sagte er. „Maximilian hat sich in jenem blutigen Dekret sein Urteil selbst gesprochen. Dennoch wollte ich Milde walten lassen, aber er hat mich nicht gehört. Ich darf keinen Kaiser von Mexiko anerkennen, wie er ja auch mich nicht als Präsidenten anerkannt hat. Ich sehe in ihm ebenso wenig eine Person, mit welcher ich in diplomatischen Verkehr treten möchte, wie er es mit mir auch nicht getan hat. Aber ich bin nicht bloß Präsident, ich bin auch Mensch, und weil auch er Mensch ist, so habe ich zu ihm als Mensch zum Menschen gesprochen, er aber hat nicht auf mich gehört.“
„Welche Verblendung!“ rief Sternau.
„Ich habe jene Señorita Emilia zu ihm gesandt. Sie hat ihn auf seine Umgebung aufmerksam gemacht. Sie hat ihm bewiesen, daß er nur Verräter oder schwachköpfige Abenteurer um sich hat – es hat nichts geholfen.“
„So ist er selbst schuld.“
„Er und kein anderer. Ich habe ihm sagen lassen, daß ich ihm den Weg nach der See bis zum letzten Augenblick offenlassen werde – er hat gelacht. Ich habe ihm ferner gesagt, daß ich ihn nicht zu retten vermöge, sobald er als Gefangener in die Hände der Meinigen gerate – er hat abermals gelacht.“
„Gibt es keinen weiteren Versuch?“ fragte Kurt.
Juarez blickte ihn forschend an.
„Vielleicht“, antwortete er nachdenklich.
„O, so versäumen Sie ihn nicht!“
„Hm. Wollen Sie ihn etwa machen?“
Bei diesen Worten war das Auge des Zapoteken forschend, fast stechend auf Kurt gerichtet.
„Sofort!“ antwortete dieser freudig.
„Er wird auch umsonst sein.“
„Ich hoffe das Gegenteil!“
„So. Sie sind allerdings der einzige Mann, dem ich so etwas anvertrauen möchte. Glauben Sie, durch die Vorposten zu kommen?“
„Sie meinen die Vorposten der Kaiserlichen?“
„Ja. Für die meinigen gebe ich Ihnen ein Passepartout.“
„Ich bin gut legitimiert. Man wird mich nicht anhalten.“
„Und Sie glauben auch, vor Maximilian zu kommen?“
„Ganz bestimmt.“
Juarez blickte ihn noch einmal mit voller Schärfe an. Es war, als ob er in der tiefsten Tiefe seiner Seele lesen wolle. Dann machte er eine rasche Wendung und setzte sich an einen Tisch, auf welchem neben allerlei Skripturen die nötigen Schreibrequisiten lagen. Er legte sich ein Blatt zurecht, tauchte die Feder ein und schrieb. Als er fertig war, gab er es Kurt hin und fragte:
„Wird das genügen?“
Kurt las:
„Hiermit verbiete ich, dem Vorzeiger dieses und dessen Begleitern irgendwelche Hindernisse in den Weg zu legen. Ich befehle im Gegenteil, sie auf alle Fälle und ohne weiteres alle Linien passieren zu lassen und ihnen allen möglichen Vorschub zu leisten, ihr Ziel schnell und sicher zu erreichen. Wer diesem Befehl zuwiderhandelt, wird mit dem Tode bestraft.
Juarez.“
„Das genügt vollständig, vollständig“, rief Kurt, im höchsten Grad erfreut. Er sah sich bereits als Retter des Kaisers drüben in der Heimat und allerwärts gefeiert.
„Ich glaube nicht daran“, sagte Juarez.
„O, man wird doch diesem Befehl gehorchen!“
„Sicher. Aber der eine, auf den es eben ankommt, wird ihn nicht respektieren.“
„Maximilian?“
„Ja.“
„Er wäre wahnsinnig.“
„Versuchen Sie
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