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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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habe?“
    „Ich bin vom Gegenteil überzeugt.“
    „Hat mein Volk mich abgesetzt?“
    „Nein, obgleich eine Deputation nach Paris kam und den Kaiser –“
    „Das war Blendwerk und Spiegelfechterei“, fiel Juarez schnell ein. „Es war ein Puppenspiel, an welches nur Kinder glauben konnten. Aber wissen Sie, wie die Franzosen hier im Land gewirtschaftet haben?“
    „Leider!“
    „Sie waren meine Feinde. Gegen Maximilian von Habsburg habe ich nur zweierlei: erstens, daß er vertrauensselig auf die Intentionen eines Mannes einging, welcher selbst nur durch Blut und Revolution Kaiser wurde, eines Mannes, von dem wir niemals annehmen konnten, daß er der Beglücker seines Volkes sein werde, und zweitens, daß Maximilian nun jetzt, wo der letzte Franzose das Land verlassen hat, in ganz unbegreiflicher Verblendung diesen Leuten, welche an der Spitze der Zivilisation marschieren, nicht sofort auf dem Fuß folgt. Nur sein Vertrauen auf die Hilfe Napoleons war es, welches ihn zu Schritten verleitete, deren Folgen zerschmetternd auf sein Haupt fallen werden. Ist Ihnen das berüchtigte Dekret vom 3. Oktober bekannt?“
    „Ja.“
    „Und Ihrer Regierung auch?“
    „Jedenfalls.“
    „Nun, so lassen Sie mich katechetisch verfahren. Welchen Inhalt hat dieses Dekret?“
    „Ein jeder Feind des Kaiserreiches ist ein Landesverräter und Empörer und wird ohne vorheriges Urteil mit dem Tod bestraft.“
    „Dieses Dekret hat vielen, vielen, das Leben gekostet. Selbst meine treuen Generäle Arteaga und Salazar wurden ohne Urteil und Recht gemordet. Wir lebten friedlich im Land; wir waren glücklich. Da kamen die Franzosen und sagten, wir hätten kein Recht, Frieden und unsere Verfassung zu haben, Max müsse unser Kaiser sein. Das Blutvergießen begann. Wer waren die Empörer, junger Mann?“
    Kurt zuckte die Achsel.
    „Etwa wir?“
    „Hm!“
    „Oder die Franzosen? Oder Napoleon und Max?“
    „Señor, Sie haben recht“, meinte Sternau mit seiner tiefen, kräftigen Stimme.
    „Und dennoch waren wir es, welche als Räuber behandelt wurden“, fuhr Juarez erregt fort. „Der Inhalt jenes blutigen Dekretes ist kein anderer, als der Spruch jenes alten Eroberers: ‚Wehe den Besiegten!‘ Wir waren die Besiegten, und das Wehe kam über uns. Jetzt aber hat unser gerechter Gott geholfen. Wir sind die Sieger. Wir könnten nun auch rufen: ‚Wehe den Besiegten!‘ Und mit wie größerem Recht. Aber wir tun es nicht. Wir wollen nicht ungerecht, nicht grausam und unmenschlich sein. Aber unser Recht wollen wir, und wenn wir dies wollen, so wollen wir folgerichtig, daß auch einem jeden anderen, also auch den Bedrückern unseres Landes, sein und ihr Recht werde. Ist Ihnen das jus talionis der Bibel bekannt, Señor Helmers?“
    „Natürlich!“ antwortete Kurt.
    „Dieses Recht herrscht und gilt noch in der Prärie und Wüste, allüberall, wo die Völker noch in guter, alter, patriarchalischer Weise beisammen wohnen.“
    „Es ist grausam“, fiel Kurt ein. „Diejenigen Nationen, welche Anspruch auf die Segnungen der Zivilisation –“
    „Gehen Sie mir mit dieser Zivilisation“, unterbrach ihn Juarez. „Zählen Sie die Franzosen auch zu diesen zivilisierten Nationen?“
    „Natürlich!“
    „Ich habe es auch getan. Aber sie sind ohne alle Ursache in Mexiko eingefallen wie die Räuber! Ist das ihre Zivilisation, ihre Bildung? Wenn der ‚Panther des Südens‘ raubt und mordet, so ist er einfach ein Raubtier in Menschengestalt und wird seinen Käfig finden. Wenn dieser Cortejo erklärt, daß er Präsident sein wolle, so ist dies einfach wahnsinnig oder zum wenigsten lächerlich. Wenn aber Napoleon und Maximilian von Österreich mit einer Heeresmacht in ein Land einbrechen, dessen Bewohner ihnen nichts getan haben, so gleichen sie nur den Botokuden, Comanchen, Kurden und anderen wilden Völkerschaften, die ich unter die Barbaren zähle. Und wenn ich Sie unterbrach, als Sie von den zivilisierten Nationen begannen, so haben doch auch diese das Vergeltungsrecht in ihre Gesetzbücher aufgenommen. Sie sagen zwar nicht mehr ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘, aber sie bestrafen jedes Verbrechen und Vergehen, den Tod mit dem Tod und jedes andere mit einer kongruenten Summe von Freiheitsentziehung oder Geld. Haben Sie die Tropfen Blutes gezählt, welche während der letzten Invasion in Mexiko geflossen sind?“
    Kurt schüttelte trüben Angesichtes mit dem Kopf.
    „Nun, sie sind nicht zu zählen. Es sind nicht Tropfen, sondern Ströme. Bin

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