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48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko

Titel: 48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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derselbe öffnete, um den Inhalt zu lesen.
    „Ah, das ist ja eine ganz und gar ungewöhnliche Empfehlung“, sagte er.
    „Ich bedarf derselben, um dieses zweite vorlegen zu dürfen.“
    Er gab Juarez ein größeres Schreiben. Dieser brach das Wappensiegel auf und las. Sein Gesicht nahm den Ausdruck des allerhöchsten Erstaunens an. Als er fertig war, rief er förmlich laut:
    „Dios míos! Junger Mann, wer sind Sie denn eigentlich? Wie kommen Sie dazu, der Überbringer so hochwichtiger Staatsakten zu sein. Entweder genießen Sie ein ganz und gar blindes Glück und Vertrauen, oder Sie haben das Zeug, das wirkliche Zeug zu einem Mann, dem seine Vorgesetzten bereits jetzt ein außerordentliches Prognostikon stellen. Während ich Ihnen rate, sich der Umgebung dieser großen Männer zu nähern, genießen Sie den Umgang und die Zuneigung nicht der Umgebung, sonder dieser Größen selbst. Fast möchte ich unhöflich sein und Sie fragen, wie Sie bei Ihrer Jugend zu einer solchen Auszeichnung kommen?“
    Sternau war ebenso überrascht über diese Worte wie über den Inhalt der Schreiben, den er allerdings nicht kannte, sondern nur vermuten konnte. Er betrachtete Kurt mit ebenso erstaunten Blicken wie der Präsident. Der junge Mann tat, als ob er dies gar nicht bemerke und antwortete in ruhigem, bescheidenem Ton:
    „Neben einigen kleinen Verdiensten ist es wohl zumeist die Güte derjenigen hohen Personen, mit denen ich in Berührung kam, welcher ich die Gnade zu verdanken habe, deren ich mich erfreue.“
    Juarez überflog die Schriftstücke noch einmal und meinte dann:
    „Sie werden mir hier als diejenige Person empfohlen, welche mir die Wünsche einer hervorragenden Regierung mündlich überbringt. Ich freue mich des Scharfsinnes der Vertreter dieser Regierung. Auf offiziellem Weg Verhandlungen über das Schicksal eines Mannes, der so viel dazu beigetragen hat, die Selbständigkeit der Republik von Mexiko zu töten, anzuknüpfen, das müßte ich entschieden ablehnen. Aber einen privaten Austausch unserer Gedanken werde ich nicht abweisen.“
    „Diese Hoffnung war es, welche mich an einem Gelingen meiner Sendung nicht verzweifeln ließ, Señor“, meinte Kurt.
    „Haben Sie fest formulierte Fragen oder Wünsche auszusprechen?“ fragte Juarez in jenem Ton, mit welchem er auf schwierige Verhandlungen einzugehen pflegte.
    „Ja.“
    „Darf ich sie hören?“
    „Jetzt?“
    „Warum nicht sogleich jetzt?“
    „Ich bin beauftragt, unter vier Augen mit Ihnen zu sprechen.“
    Ein leises Lächeln spielte um die Lippen des Zapoteken, als er fragte:
    „Mißtrauen Sie etwa unserem Freund Sternau?“
    „Nicht im geringsten. Ich würde nicht anstehen, ihn zum Vertrauten aller meiner persönlichen Angelegenheiten zu machen; die Sache aber, welche wir zu verhandeln haben, ist nicht mein Eigentum.“
    „Aber das meinige. Geben Sie das zu?“
    „Gern, obgleich diejenigen, in deren Auftrag ich hier stehe, daran partizipieren.“
    „Und mein Eigentum kann ich teilen, mit wem ich will?“
    „Allerdings.“
    „Nun, so erkläre ich Ihnen daß ich Señor Sternau erlaube, unserer Unterhaltung beizuwohnen. Wollen Sie weniger höflich sein?“
    „Señor Sternau ist mein Freund und Gönner, mein Vater und Lehrer. Meine Pflicht gebot mir, seiner Gegenwart zu gedenken; nun aber erkläre ich, daß dieselbe mich nicht hindern kann, in aller Offenheit mit Ihnen zu sprechen.“
    „So sprechen Sie.“
    „Ich hoffe nicht, daß Sie erwarten, ein junger Mann von so wenig Erfahrung, wie ich bin, werde sich in komplizierten, diplomatischen Wendungen ergehen. Ich sagte bereits, daß das, was ich zu sagen habe, streng formuliert ist, und ich bitte um die Erlaubnis, offen und ehrlich fragen und sprechen zu können.“
    Juarez betrachtete ihn mit einem wohlgefälligen Blick.
    „Das ist Ihnen sehr gern gewährt“, antwortete er. „Ich hasse alle Finessen, alles diplomatische Versteckspielen. Wie weit man sich auf eine Regierung verlassen kann, welche ihre Absichten stets hinter den Schleiern des Geheimnisses versteckt, das habe ich ja zur Genüge erfahren. Ihr Minister ist der erste gewesen, der mit dem alten Herkommen gebrochen hat. Talleyrand sagte, daß der Mensch die Sprache nur habe, um seine Gedanken zu verbergen. Dies ist der Grundsatz des Unehrlichen, der Spitzbuben. Trotzdem ist dieser Grundsatz von den Staatsmännern aller Zeiten und Völker befolgt worden. Ihr Minister hat den Mut gehabt, mit ihm zu brechen; er hat die offene, ehrliche

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