48 - Waldröschen 07 - Der Kaiser von Mexiko
hat?“
„Das weiß hier jedermann.“
„Nun, auch die Tochter will Grandeprise zu Euch gebracht haben.“
„Abermals Lüge.“
„Alle tausend Donner! Hätte ich diesen Kerl hier, so sollte er sehen, welch eine Geschichte er sich da angerührt hat! Wenn es wirklich so ist, wie Ihr sagt, so können wir weiter nichts tun, als Euch um Verzeihung bitten, daß wir Euch gestört haben.“
„O bitte, Señor, das hat nichts zu bedeuten. Aber nun darf ich wohl auch fragen, wen ich bei mir empfangen habe?“
Cortejo fühlte sich in einer nichts weniger als angenehmen, ja sogar in einer fatalen Lage. Er hatte gehofft, zum Ziel zu gelangen, und nun zeigte es sich, daß er getäuscht worden sei. Was sollte er tun? Er mußte seinen Bruder auf alle Fälle finden, wenn nicht dieser und auch er verloren sein sollte. Aber wo ihn nun suchen? Im Norden, wo Juarez bereits wieder Herr war? Um keinen Preis! Im Süden, wo man ihn von der Hauptstadt aus bereits verfolgte? Unmöglich! Er befand sich in einer so ratlosen und gefährlichen Lage, daß ihm der Schweiß ausbrach. Leider aber konnte diese Feuchtigkeit nicht den natürlichen Abfluß finden, da das Gesicht durch künstliche Mittel verändert worden war. Cortejo aber fühlte diesen Schweiß, er dachte nicht an die Gefahr, in welche er sich brachte, und zog sein Taschentuch hervor, um sich das Gesicht abzutrocknen.
„Wer wir sind, wollt Ihr wissen, Señor?“ fragte er, dabei sich vor Verlegenheit fest abreibend. „Hm. Das tut, da wir unseren Zweck nicht erreicht haben, wohl auch nichts zur Sache.“
„O doch“, meinte der Pater unter einem bedeutungsvollen Lächeln.
„Warum?“
„Ich beginne, sehr großes Interesse für Euch zu hegen.“
„Aus welchem Grund?“
„Weil Ihr die Maskenscherze ebenso zu lieben scheint wie ich.“
„Maskenscherze? Ich verstehe Euch nicht!“
„Wirklich nicht? Das wundert mich! Ihr seid nicht der, für welchen Ihr Euch auf Eurer Reise ausgegeben haben werdet.“
Cortejo blickte den Redner erstaunt an. Auch Landola war betroffen, aber er stand hinter Cortejo und konnte also nicht sehen, welche Veranlassung der Pater zu seinen Worten hatte.
„Ich soll nicht derjenige sein, Señor?“ fragte Cortejo. „Wißt Ihr denn, für wen ich mich ausgegeben habe?“
„Allerdings nicht.“
„Wie kommt Ihr also zu einer so sonderbaren Annahme?“
„Wer sein Gesicht entstellt, will nicht erkannt sein!“
„Sein Gesicht? Señor, glaubt Ihr etwa, daß dieses Gesicht nicht das meinige ist?“
„O, das glaube ich gern. Aber Ihr habt einiges daran, was nicht dazu gehört.“
„Alle Teufel! Wie kommt Ihr auf solche sonderbare Gedanken?“
„Hm. Señor, es ist stets mit Gefahr verbunden, Schminke und Puder zu lange auf der Haut zu lassen. Solche Ingredienzien müssen öfters entfernt und dann wieder erneuert werden. Man schwitzt sehr leicht, und der Bart wächst; dadurch wird die falsche Kruste abgestoßen. Das ist auf alle Fälle höchst unangenehm!“
„Aber wie kommt Ihr dazu, gerade mir das zu sagen?“
Der Pater lachte.
„Ihr ahnt das nicht?“ fragte er.
„Nicht im mindesten.“
„Und fühlt es auch nicht?“
„Nein.“
„So bitte, seht Euch einmal Euer Taschentuch da an!“
Cortejo folgte dieser Weisung.
„Himmeldonnerwetter!“ rief er in allerhöchster Verlegenheit. Sein Taschentuch hatte sich gefärbt.
„Und blickt einmal hier hinein“, sagte der Pater.
Er faßte ihn bei den Schultern und führte ihn zum Spiegel. Cortejo warf einen Blick hinein und fuhr erschrocken zurück. Was für ein fürchterliches Gesicht war es, welches ihm daraus entgegenblickte! Der Schweiß hatte den Überzug aufgelöst und dieser letztere war mit dem Taschentuch über das ganze Gesicht verrieben worden. Dieses Gesicht sah aus wie ein schlecht oder mit Wasserfarben angestrichener Puppenkopf, an welchem das spielende Kind herumgeleckt hat.
Der Pater lachte aus vollem Halse.
„Señor“, sagte er, „seid Ihr ein Comanche oder Apache?“
„Warum diese Frage?“ stammelte Cortejo.
„Weil Ihr Euch mit den Kriegsfarben angemalt habt. Kommt her und wascht Euch!“
Er führte ihn zum Waschtisch und öffnete denselben.
„Danke“, lautete die Antwort. „Ich muß augenblicklich fort!“
„Pah! So könnt Ihr doch unmöglich gehen!“
„Aber ich darf Euch doch unmöglich inkommodieren!“
Cortejo wußte nicht, was er sagte. Er hatte vor Schreck fast die Besinnung verloren.
„Inkommodieren?“ antwortete Hilario.
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