49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
ich dich willig ab, da er ja mein Bruder ist.“
„Welch ein Glück! Jetzt winkt mir die Erlösung! Nun endlich werde ich errettet aus den Banden, die mich, wenn es länger gedauert hätte, sicherlich erdrosselt hätten.“
„Ja, du sollst frei sein. Willst du mit mir gehen?“
„Oh, wie gern!“
„Wann?“
„Wann du es willst.“
„Also gleich heute?“
„Gleich jetzt? Das wird wohl nicht möglich sein.“
„Sage mir, warum? Du kannst mir ja folgen, so wie du hier bist. Was hält dich zurück?“
„Die Freundschaft. Ich habe eine Freundin, die sich auch nach Freiheit sehnt. Ich habe ihr versprochen, mit ihr zu fliehen.“
„Recht so! Zwei anstatt eine! Darüber wird sich der Lord herzlich freuen!“
„Wer ist das?“
„Einer der beiden Freunde, die dort hinten im Garten über uns wachen.“
„Was ist er?“
„Er ist ein sehr reicher und edler Mann, obgleich sein Äußeres nicht schön ist. Ja, er wird sich sehr freuen, dich und deine Freundin von hier entführen zu können.“
„Und wohl auch ihre Mutter?“
„Also drei Personen? Dich, sie und ihre Mutter?“
„Ja, sie würde ohne die Mutter nicht gehen. Aber zürne mir nicht! Ich habe noch einer vierten Person versprochen, sie mitzunehmen.“
„Wer ist es?“
„Der junge Arabadschi, der auch euer Verbündeter ist.“
„Gut, auch er soll mit.“
„Werden deine Freunde hiermit einverstanden sein?“
„Gern, denn wir haben es ja seiner Hilfe zu verdanken, daß wir euch von hier entführen können. Warum will auch deine Freundin fort?“
„Der Pascha hat sie zu seiner Sultana erhoben, sie aber liebt einen anderen.“
Wallert befand sich, trotzdem seine Liebe abgewiesen worden war, bei ganz vortrefflicher Laune. Leise lachend erwiderte er:
„Also auch die liebt einen anderen! Wer hätte gedacht, daß in einem abgeschlossenen Harem solche Sachen vorkommen! Liebt sie vielleicht auch einen, den sie nicht kennt?“
„O nein, sie kennt ihn.“
„Wohnt er hier in Stambul?“
„Ja, wenigstens jetzt.“
„Wenigstens jetzt? So ist er nicht für immer ein Bewohner der Hauptstadt?“
„Nein, er ist ein Franke.“
„Tausend sapperlot! Auch ein Franke! Und sie in einem Harem! Wie haben sie sich da kennengelernt?“
„Sie befindet sich erst seit gestern im Harem und wurde mit ihm bekannt, als er ihr Bild malen mußte.“
„Wie – wo, waaas?“ fragte Wallert, auf das höchste erstaunt. „Mädchen! Zykyma! Heißt deine Freundin etwa Tschita?“
„Ja, ja, so heißt sie! Kennst du sie?“
„Oh, gewiß! Nicht wahr, sie war bei dem alten Sklavenhändler Barischa?“
„Ja, von ihm hat sie der Pascha gekauft.“
„Und ihre Mutter hat keine Zunge und keine Hände?“
„Ja, ja, so ist es! O Allah, o ihr heiligen Kalifen! O Mohammed! Er kennt sie, er kennt sie wahrhaftig!“
„Oh, ich kenne noch mehr Leute! Ich kenne sogar denjenigen, den sie liebt.“
„Den Maler?“
„Ja. Er hat sie seit heute früh mit Schmerzen gesucht.“
„So wirst du sie von hier mitnehmen und zu ihm bringen!“
„Nein, das fällt mir nicht ein! Er mag sie sich nur selbst holen!“
„Warum das? Soll sie noch länger warten?“
„Nein. Sie geht mit uns, heute abend schon! Wisse, der Maler ist bereits im Garten!“
„Ah, geschehen denn Wunder?“
„Beinahe ist es so! Der zweite Freund, der sich mit hier befindet, ist eben der Maler. Ich werde ihn sofort holen. Darf ich?“
„O Allah!“ antwortete Zykyma, die Hände faltend. „Ich weiß vor Glück und Erstaunen nicht, was ich sagen soll! Ja, hole ihn, bringe ihn her zu mir!“
Wallert eilte fort, nicht aber auf dem sandbestreuten Weg, sondern auf dem Rasen hin, damit seine Schritte nicht gehört werden sollten. Er wußte zwar nicht, wo die Freunde steckten, aber er konnte es sich denken. Wirklich tönte es ihm auch bald, als er die Büsche erreicht hatte, leise entgegen: „Hermann! Bist du es?“
„Ja. Seid ihr hier?“
„Wie du siehst!“ Dabei erhob sich Normann, der Lord aber dehnte seine lange Gestalt und sagte:
„Sie haben ja eine ganze Ewigkeit lang scharmiert! Sind Sie wenigstens einig geworden?“
„So einig, wie es besser gar nicht sein könnte.“
„Kommt sie mit?“
„Ja, heute.“
„Sapperment! Das geht schnell!“
„Wir nehmen sie jedoch nicht allein mit!“
„Nicht? Desto besser. Ich bin bereit, den ganzen Harem leerzumachen und auf meine Jacht zu laden.“
„So viele werden es nun allerdings nicht. Sie nimmt nur eine Freundin, deren
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