49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
gesprochen haben. Sie hat nämlich einen russischen Offizier kennen- und liebengelernt, der Orjeltschasta heißt.“
„Orjeltschasta?“ meinte der Lord. „Wunderbarer Name! Man kann sich die Zunge zerbrechen, indem man ihn ausspricht.“
„Dennoch aber ist er für Sie höchst interessant.“
„Wieso?“
„Orjel heißt nämlich Adler, und Tschasta heißt Horst.“
„Alle Wetter!“
„Zusammen also Adlerhorst.“
„Wäre es möglich!“
„Nach dem, was Zykyma mir sagte, scheint er kein Russe, sondern ein Deutscher zu sein.“
„Sollte das etwa eine Spur meiner so unerklärlich verschwundenen Verwandten bedeuten? – Doch horcht! War das nicht soeben ein Hilferuf?“
„Ja, ein Hilferuf aus Frauenmund.“
„Sollte etwas passiert sein?“
„Wollen sehen! Schnell, kommt!“
Die Freunde huschten aus der Ecke heraus, nach dem Gebäude zu. Als sie das Gebüsch hinter sich hatten und das Haus nun frei vor ihnen lag, sahen sie das offene Fenster Zykymas hell erleuchtet.
„Dort ist sie nicht“, meinte Normann voller Besorgnis.
„Nein“, antwortete Wallert. „Sie wird sich hüten, das Zimmer in dieser Weise zu erleuchten, da sie ja fliehen will. Gehen wir also weiter heran!“
Sie eilten näher. Das weiche Gras dämpfte ihre Schritte. Kaum mehr fünfundzwanzig Schritte von dem Gebäude entfernt, sahen sie plötzlich zwei Männer in Zykymas Stube.
„Alle Teufel!“ flüsterte der Lord. „Das ist ja der Pascha!“
„Und der Derwisch! Da ist etwas nicht richtig!“
„Der Pascha hat ein Licht in der Hand. Er kommt an das Fenster. Ah!“
Der Pascha war wirklich an das Fenster getreten und hielt das Licht hinaus.
„Beim Teufel!“ hörte man ihn sagen. „Da lehnt eine Leiter am Fenster.“
Im Nu stand der Derwisch neben ihm und fragte:
„Kam sie zum Fenster herein?“
„Ganz gewiß.“
„So war sie im Garten. Was hat sie dort gewollt?“
„Das frage ich dich auch!“
„Sollte etwa dieser verfluchte Hermann Wallert – “
„Bist du wahnsinnig?“
„Was will sie sonst im Garten? Laß schnell nachsehen! Vielleicht ist er noch da!“
„Hölle und Verdammnis! Ich würde sie und ihn ersäufen. Ja, eilen wir, um den Garten zu durchsuchen!“
Die beiden Männer sprangen vom Fenster zurück und zum Zimmer hinaus, so daß dieses nun im Dunkeln lag.
„Der sagt es uns zum Fenster herab, was er tun will“, spottete Wallert. „Nun wissen wir ja gleich, woran wir sind!“
„Scherze nicht!“ antwortete Normann. „Er hat Zykyma erwischt, wie sich aus seinen Worten entnehmen läßt. Wir hätten wohl noch Zeit, durch das Tor zu entkommen; aber wollen wir die Frauen verlassen?“
„Nein, nein!“ sagte der Lord.
„Also hinauf auf den Baum und auf die Mauer!“
Im nächsten Augenblick eilten sie nach der Platane, kletterten diese hinauf und auf dem Ast hinüber zur Mauer. Eben waren sie auf derselben angekommen, da hörten sie auch schon Schritte und Stimmen.
„Sie kommen!“ flüsterte der Lord.
„Mögen sie immerhin!“ antwortete Normann.
„Ich denke, daß wir hier ziemlich sicher sind.“
„Wie aber nun, wenn einer von ihnen auf denselben Gedanken kommt, den wir gehabt haben?“
„Sie meinen, daß er auch hinaufklettert?“
„Ja.“
„Nun, dann bleibt uns nichts anderes übrig als ihn herabzuschießen, obgleich – hm – wir dadurch nicht nur unsere Anwesenheit verraten, was noch gar nicht so sehr schlimm wäre, aber auch Zykyma ins Verderben bringen, da es dann erwiesen ist, daß sie bei uns im Garten war. Wenn es doch ein Mittel gäbe, ihnen das Klettern zu verleiden.“
„Ich weiß eins.“
„Welches, Mylord?“
„Habe einmal von einem Bärenjäger gelesen, der von dem Bären auf den Baum verfolgt wurde, indem er den Ast – doch sapperment, sie kommen näher. Da gibt es keine Zeit zum Erklären. Bitte, Mister Normann, wir liegen mit den Köpfen gegeneinander, halten Sie den Ast mit fest, bis einer der Kerle auf den Gedanken kommt, sich drauf zusetzen, um herüberzukommen.“
Der Ast, auf dem Normann und der Lord vom Stamm zur Mauer hinübergeklettert waren, hatte eine beträchtliche Stärke und war vielleicht gegen vier Fuß hoch über der Mauer. Der Lord erhob sich jetzt, faßte ihn an und zog ihn langsam zu sich herab. Normann griff mit zu, und so lagen die beiden, mit den Köpfen gegeneinander auf der Mauer und hielten den Ast fest.
„Guter Gedanke!“ flüsterte der Maler.
„Nicht wahr? Ja, ein gescheiter Kerl darf kein Esel
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