49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
sein.“
„Kommt einer der Schurken hinaufgeklettert, so lassen wir den Ast einfach fahren; er schnellt dann in die Höhe und wirft den Kerl ab, ohne daß dieser weiß, wie es zugegangen ist. Pst! Da sind sie schon, und zwar mit Laternen.“
Der Lärm, mit dem Ibrahim Pascha und der Derwisch alles alarmierten, war mittlerweile schnell näher gekommen. Weiße und Schwarze, bunt vermischt, hatten eine Linie gebildet, so lang wie der Garten breit war, und so avancierten sie nun nach der Ecke zu. Da hier der Garten immer enger wurde, zogen sich die Leute immer näher zusammen und befanden sich bald dicht nebeneinander. Alle trugen die in Konstantinopel so gebräuchlichen Papierlaternen, um das Terrain zu erleuchten, und hatten sich mit allen möglichen Gegenständen bewaffnet, die ihnen in der Eile in die Hände gekommen waren.
Der linke Flügel dieser Heerschar blieb in der Nähe der Platane halten, während sich der rechte nach der Ecke zog, um dort die Büsche zu durchsuchen. In der Mitte aber stand der Pascha und neben ihm der Derwisch.
„Seht genau hinter jeden Strauch!“ befahl der erstere und wartete dann schweigend den Erfolg der Nachforschungen ab.
Dieser war allerdings ein sehr negativer. Es wurde nichts gefunden.
„So irrten wir uns“, meinte der Pascha. „Es ist niemand im Garten gewesen, und Zykyma hat sich nur einen Spaziergang erlaubt.“
„Verzeihung, o Pascha!“ ließ der Derwisch sich darauf hören. „Wie nun, wenn jemand hier gewesen wäre und sich entfernt hätte? Das ist doch immerhin möglich!“
„Aber nicht wahrscheinlich. Wo sollte die Person denn hin sein.“
„Fort, hinaus.“
„Auf welchem Wege?“
„Über die Mauer weg.“
„Da hinauf kann niemand.“
„Das ist immerhin möglich. Seht hier diesen Baum. Wie leicht ist man da hinauf und hinüber.“
„Aber nicht draußen hinab. Die Mauer ist hoch, und unten fließt auch Wasser.“
„Das ist richtig; aber Allah gibt mir soeben einen erleuchteten Gedanken. Es kann jemand im Garten gewesen sein, und dieser ist da hinaufgeklettert und hat sich oben hingelegt, um ruhig zu warten, bis wir fort sind.“
„Meinst du?“
„Ja. Man sollte doch einmal nachsehen.“
„Nun wohlan denn, Omar, klettere hinauf.“
Der Genannte, ein schwarzer, dicker Eunuch, legte sogleich die Laterne fort, trat zum Baum, umspannte ihn mit den Armen und versuchte, sich emporzuschieben.
Da die Worte türkisch gesprochen waren, so hatte der Lord sie nicht verstanden. Als er aber jetzt die Bemühungen des Schwarzen sah, flüsterte er Normann zu:
„Dachte es mir. Sie wollen herauf.“
„Der Dicke wird es aber nicht fertigbringen.“
„Er keucht, pfeift und stöhnt allerdings wie eine Lastzuglokomotive. Bin wirklich neugierig, wie er abrutschen wird.“
Der Schwarze kam in der Tat nicht empor; sooft er ansetzte, rutschte er wieder ab.
„Emin, schiebe mit!“ befahl da der Pascha zornig.
Sofort trat der Gerufene herbei und half, auch einige andere folgten ihm, und ihren vereinigten Kräften gelang es denn auch endlich, den Dicken so weit hinaufzubringen, daß er den untersten Ast zu ergreifen vermochte. Statt nun aber sich hinaufzuziehen, baumelte der kraftlose Mensch einige Male hin und her, ließ die Hände los und stürzte herab.
Da legte der Derwisch seinen schmutzigweißen, weiten Mantel ab und faßte den Stamm, um hinaufzuklettern. Man sah zwar, daß er keine Übung besaß, aber er gelangte doch empor. Atemlos setzte er sich zunächst auf einen Ast, um einige Augenblicke auszuruhen.
„Siehst du etwas auf der Mauer?“ fragte ihn gespannt der Pascha.
„Nein.“
„Nun, so komm herab!“
„Oh, ich werde doch hinüberklettern. Niemand wird sich hier herlegen. Befindet sich jemand oben, so ist er weiter fortgerutscht, um nicht sogleich gesehen zu werden.“
Der Derwisch hätte bei der geringen Dunkelheit die drei Freunde wohl sehen müssen; bei dem Schein der Laternen aber befand er sich im Licht derselben und wurde also von diesem geblendet. Vorsichtig legte er sich auf den Ast und rutschte nach der Mauer zu.
Da flüsterte der Lord: „Er kommt! Lassen Sie bei drei den Ast fahren. Eins – zwei – “
„Fall nicht herab!“ warnte in diesem Moment Ibrahim.
„Was denkst du, Herr!“ antwortete verletzt der Derwisch. „Allah hat mir die Kunst des Kletterns verliehen wie einer Katze. Ich kann unmöglich fallen.“
„Drei!“ kommandierte soeben der Lord leise.
„Jetzt werde ich die Mauer sehen“, fuhr der
Weitere Kostenlose Bücher