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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ihrem Sitz auf und trat an das Gitterwerk, um lange und lautlos hinaus in den stillen, einsamen Garten zu blicken, auf den sich bereits die Schleier der Dämmerung niederzusenken begannen.
    Dann wandte sie sich wieder nach dem Zimmer zurück, schlug mit der Peitsche durch die Luft, als ob sie irgendeine Person treffen wolle, und sagte:
    „O Allah, ich zürne dir, obgleich ich nur eins deiner Geschöpfe bin! Warum läßt du so viele, viele Unglückliche geboren werden! Du bist nicht so gütig wie in den Büchern steht!“
    Die Peitsche in den Winkel schleudernd, setzte sie sich neben Tschita auf den Diwan.
    „Oh, sage mir“, bat sie darauf in liebevoll flüsterndem Ton und ergriff ihre Hände, „sage mir, daß du meine Freundin, meine Schwester sein willst!“
    „Soll ich denn?“
    „Ja, du sollst. Ich wünsche es, ich bitte dich darum. Und nun sprich, bist du noch in keinem Harem gewesen?“
    „Nie.“
    „So weißt du nicht, was ein Harem ist. Ein Harem ist eine Hölle für das Weib, das ein Herz im Busen trägt. Im Harem herrscht die elendste Knechtschaft, im Harem gähnt der fürchterlichste Tod; das Elend, das Unglück, der Jammer grinsen dir im Harem aus allen Ecken und Winkeln entgegen. Dort gebietet ein Mensch, dem dein Leib gehört, während deine Seele nach Freiheit schmachtet. Im Harem – oh, was soll ich sagen! Es ist ja nicht zu sagen. Aber als der Prophet von den Stufen der Hölle sprach, kannte er die entsetzlichste Tiefe der Verdammnis noch nicht, denn der tiefste Winkel derselben heißt – Harem!“
    Zykyma schwieg. Ihr Busen wogte, und ihr Atem ging hörbar.
    „Bist auch du unglücklich?“ fragte Tschita.
    „Unglücklich und elend wie keine andere. Aber ich bin nicht gemacht zu stillem Dulden, zu ergebenem Leiden. Ich widerstrebe, ich wehre mich, ich verteidige mich. Man hat mich zwar verkauft, verschachert, aber ich bin dennoch Herrin geblieben. Ich herrsche hier, ich bin Gebieterin, und alle die elenden Sklaven zittern vor mir. Das wird so sein, und so bleiben, bis – “
    Sie brachte ihren Mund nahe an Tschitas Ohr und fuhr leise fort:
    „Bis ich frei bin. Ich bleibe nicht hier.“
    „Um Gottes willen! Willst du fliehen?“
    „Ja. Ich sage es dir. Und nun verrate mich!“
    „Verraten? Nein, o nein! Nimm mich mit, oh, nimm mich mit! Ja, laß uns Freundinnen, Schwestern sein. Ich bin so unglücklich, daß ich sterben möchte.“
    „Sterben? Nein, das werden wir nicht. Mein Leben ist in Elend getaucht, aber es ist dennoch zu kostbar, als daß ich es nicht verteidigen möchte. Wo bist du geboren?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Wie? Du weißt es nicht? Das kann ich nicht glauben.“
    „Es ist dennoch so. Ich habe meine Heimat nie gekannt.“
    „Von woher bist du nach Stambul gekommen?“
    „Von jenseits des Meeres.“
    „Welches Meeres? Es gibt Meere mit verschiedenen Namen.“
    „Ich weiß es nicht. Ich lebte mit der Mutter in einem kleinen Dorf. Wir waren nicht immer da gewesen. Ein finsterer, strenger Mann gab uns zu essen und zu trinken. Dann kam ein Schiff und brachte uns hierher.“
    „Konntest du nicht von deiner Mutter erfahren, wo ihr früher gewesen wart?“
    „Nein. Sie kann ja nicht sprechen.“
    „Auch nicht schreiben?“
    „O ja! Sie zeigte mir einmal, daß sie schreiben wolle. Sie hatte dem Mann, bei dem wir wohnten, heimlich Papier weggenommen und einen Bleistift. Diesen mußte ich ihr an den rechten Arm binden, und dann schrieb sie.“
    „Was?“
    „Das ist mir nicht bekannt, denn man hat mich nicht lesen und schreiben gelehrt, aber dessen erinnere ich mich noch genau, daß der Mann uns überraschte, und als er die Schrift sah, diese zerriß und meine Mutter so schlug daß sie lange Zeit krank gewesen ist. Seitdem hat sie nicht wieder geschrieben.“
    „Wie hieß das Dorf, wo ihr wohntet?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Und der Mann?“
    „Auch das kann ich dir nicht sagen. Ich mußte ihn Herr nennen.“
    „So hat man dich wohl gar mit keinem Menschen sprechen lassen?“
    „Mit keinem. Ich durfte nur mit der alten Mutter des Mannes reden, und die hat mir niemals eine Frage beantwortet. Sie war so grausam wie er.“
    „Arme, arme Freundin! Hat man dich beten gelehrt?“
    „Ja.“
    „Zu wem?“
    „Zu Allah.“
    „So bist du also auch Mohammedanerin. Betest du oft?“
    „Sehr oft, und meine Mutter auch. Aber sie mag es nicht leiden, daß ich die Gebetkügelchen dazu nehme.“
    „Ah! Wirklich? Hm! Wendet sie ihr Gesicht nach Mekka, wenn sie

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