49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Kissen.
„Hier habt ihr zu warten, bis ich euch weiterbringe“, sagte er. „Nehmt die Schleier ab. Ich muß euch betrachten, damit ich euch kennenlerne.“
Sie gehorchten. Ein unendlich widerliches, fast tierisches Grinsen zog über sein Gesicht, als er das schöne Antlitz des Mädchens erblickte. Frech legte er ihr die Hand an das Kinn und sagte:
„Du bist hübsch, sehr hübsch. Wenn du dem Pascha gern gehorchst und dir mein Wohlgefallen erwirbst, wirst du vielleicht das ganze Haus beherrschen. Lege nun aber auch den Mantel ab.“
Jetzt wandte er sich zu der Mutter. Das Gesicht derselben war von Blatternarben zerrissen.
„Welch ein Kontrast!“ rief er roh lachend aus. „Wenn der Gebieter dich erblickt, wird er vor Schreck krank werden, und ich erhalte die Bastonade. Er darf dich gar nicht sehen. Ich muß dich verbergen und werde dir in einem anderen Teil des Hauses eine Kammer zur Wohnung geben. Du gehörst nicht dahin, wo die Schönheit und die Liebe herrscht. Folge mir!“
Er wandte sich nach der Tür.
„Halt!“ sagte da Tschita. „Sie ist meine Mutter!“
„Das weiß ich!“
„Ich trenne mich nicht von ihr!“
„Du wirst gehorchen. Vorwärts, Alte!“
Tschita legte jedoch beide Arme um die Mutter und rief:
„Sie bleibt hier, oder ich gehe mit.“
„Du bleibst, und sie geht! Siehst du die Peitsche?“
„Du wirst es nicht wagen, mich zu schlagen!“
„Ich werde schlagen. Noch bist du nicht die Lieblingsfrau des Pascha. Du bist keine Gebieterin, sondern eine Sklavin, die ich züchtigen darf. Ihr werdet also beide die Peitsche schmecken, wenn ihr nicht gehorcht. Ihr habt gehört, was der Derwisch sagte. Also du magst dich hier niedersetzen, und nun vorwärts mit der Alten!“
Er streckte bei diesen Worten die Hand nach der Mutter aus, die aber erschreckt vor ihm zurückwich. Da riß er ihr den Mantel vom Leibe, damit er besser zielen und treffen könne, und holte mit der Peitsche zum Schlage aus.
Das war für Tschita zu viel. Ihre Mutter mißhandeln lassen? Nein! Ein furchtbarer Zorn bemächtigte sich ihrer; sie fühlte einen ungeahnten Mut in sich und warf sich schnell auf den Eunuchen.
„Katze! Willst du beißen?“ schrie dieser wütend, dann stieß er Tschita von sich und richtete die Peitsche nun gegen sie selbst. Jedoch er kam nicht dazu, den Hieb auszuführen, denn unter der Tür erschien plötzlich Hilfe. Zykyma war, von ihm unbemerkt, mit raschen Schritten herbeigeeilt und hatte ihm von hinten die Peitsche aus der Hand gerissen.
„Hund, du willst schlagen?“ herrschte sie ihn an. „Das sollst du bleibenlassen! Hier, nimm selbst!“
Der Schwarze hatte sich zu ihr umgewandt. Im nächsten Augenblick erhielt er einen solchen Hieb über das Gesicht, daß er einen lauten Schmerzensschrei ausstieß und, die Hände an die getroffene Stelle haltend, gegen die Wand taumelte. Dort blieb er stehen, ohne ein Wort zu wagen.
Zykyma machte in ihrer Schönheit, die durch ihre gegenwärtige, gebieterische und drohende Haltung noch hervorgehoben wurde, einen mächtigen Eindruck auf die beiden Bedrängten.
Sie war eines jener dunklen, üppigen Wesen, die nur im Orient geboren werden können. Wie sie so dastand, ganz in rote Seide gekleidet, das aufgelöste, reiche Haar über die Schulter herab fast bis auf den Boden wallend, mit blitzenden Augen und hocherhobener Peitsche, schien sie zur Königin geboren zu sein.
Ihre feinen, rosig angehauchten Nasenflügel zitterten unter der Erregung des Augenblicks; ihre Lippen hatten sich leise geöffnet, um die kleinen, schmalen, leuchtenden Zähnchen durchblicken zu lassen, und das eine, außerordentlich niedliche, nackt in einem seidenen Pantöffelchen steckende Füßchen war drohend vorgeschoben, als wolle sie sich auf den Neger werfen.
„Hat er euch bereits geschlagen?“ fragte sie mit ihrer kräftigen, aber ungemein wohlklingenden Stimme.
„Noch nicht. Er wollte“, antwortete Tschita.
„Seid ihr die beiden neuen?“
„Das weiß ich nicht. Wir kamen hierher, um Frauen zur Spazierfahrt abzuholen. Da hörten wir, daß Ibrahim Pascha mich gekauft habe.“
„So seid ihr es. Warum aber antwortet die andere nicht?“
„Sie kann nicht. Man hat ihr die Zunge herausgeschnitten.“
„O Allah! Und was sehe ich? Sie hat keine Hände!“
„Man hat sie ihr abgeschnitten. Sie ist meine Mutter.“
Ein unendliches Mitleid glänzte aus Zykymas Augen, als sie auf die Verstümmelte zutrat, ihr die Hand auf die Schulter legte und dabei
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