49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
der Teufel! Wie kann ich das lesen! Bitte, lesen Sie es mir vor!“
„Sie verstehen es auch nicht!“
„So übersetzen Sie es mir!“
Steinbach tat es. Als er fertig war, nickte der Lord befriedigt und sagte:
„Also Zutritt in den Garten und freie Bewegung in demselben, Zusammentreffen mit der Prinzessin und Entschleierung derselben. Nicht übel! Ich will Ihnen etwas sagen: Nehmen Sie mich getrost mit! Ich werde mich sehr anständig betragen und die Prinzessin weder küssen noch umarmen. Sie setzen mich in irgendeinen Winkel oder eine Ecke, und da bleibe ich sitzen, so lange Sie es wünschen.“
„Nun, ich will es wagen. Der Wortlaut dieser zwei Schriftstücke ist so gehalten, daß man Sie wohl nicht zurückweisen wird.“
„Allah il Allah, allüberall Allah! Ich danke Ihnen, danke sehr! Wann geht es los?“
„Wann haben Sie Zeit?“
„Gleich jetzt! Sogleich natürlich!“
„Gut! So brechen wir auf.“
„Ist es weit?“
„Nein. In zehn Minuten sind wir dort.“
Sie bezahlten den Kaffee und Tabak und setzten sich in ein Kaik, dann befahl Steinbach, nach Dolmabachtsche zu fahren und bei den Bädern zu halten.
Dort liegt des Sultans Serail und sein Harem mitten in einem großen Garten. Es gibt da zwei große Eintrittstore, eins in der Gartenmauer und das andere in der vorderen Mauereinfassung. Die beiden Männer wählten das letztere. Zwei Soldaten standen dort Wache und fragten nach ihrem Begehr. Steinbach verlangte nach dem Kollajydschy-Baschi, welches Wort zu deutsch Oberaufseher bedeutet.
Das Tor wurde geöffnet, und sie durften eintreten. Sie befanden sich in einem Vorhof, wo man rundum nichts als fensterlose Mauern erblickte. Die einzige Unterbrechung wurde von einer schmalen Tür gebildet, auf die der eine Posten stumm deutete. Sie schritten auf dieselbe zu und traten ein. Es war ganz dunkel in dem engen Gang, in dem sie sich befanden. Sie sahen niemand, aber eine quiekende Fistelstimme klang ihnen entgegen:
„Zu wem wollt ihr?“
„Zum Oberaufseher.“
„Was wollt ihr bei ihm?“
„Das geht dich nichts an, du Hund!“
Steinbach wählte diese grobe Antwort, weil er wußte, daß dies bei dem Haremswächter mehr Eindruck machen werde, als die größte Höflichkeit.
„Kommt herein!“
Es wurde eine Tür geöffnet, und sie traten in ein rundum mit Holzgittern versehenes Zimmer, in dem sich kein Mensch befand. Bald aber hörten sie ein Geräusch.
„Sehr interessant!“ sagte der Lord. „Zwischen diesen Gittern komme ich mir vor wie ein eingesperrtes wildes Tier.“
„Löwe etwa oder Tiger?“ lächelte Steinbach.
„Nein, sondern Pavian.“
„Sie scheinen ein sehr ausgesprochenes Bewußtsein Ihrer persönlichen Vorzüge zu besitzen. Man beobachtet uns. Man will erst im stillen taxieren, für wen oder für was man uns zu halten hat.“
Er hatte recht. Das Geräusch wiederholte sich, indem es sich entfernte. Es war der leise, weiche, schlürfende Schritt eines Menschen. Doch dauerte es nicht lange, so sprang ein Teil des Gitterwerkes auf, und eine lange, ganz in grüne Seide gekleidete Gestalt trat ein. Diese Seide bildete einen formlosen Ballen, aus dem unten zwei Pantoffeln und eben ein schwarzes Negergesicht herausblickten. Die wulstigen Lippen öffneten sich, und mit der gewöhnlich überschnappenden Stimme der Eunuchen fragte der Mann:
„Ihr wollt zur mir?“
„Bist du der Kollajydschy-Baschi?“
„Ja.“
„Sklave deines Herrn, warum grüßest du uns nicht?“
„Ich kenne euch nicht!“
„Weißt du nicht, daß sich nur Personen, die das Wohlwollen des Großherrn besitzen, nach diesem Ort wagen? Kannst du lesen?“
„Ja.“
„Prinzessin Emineh befindet sich unter deiner Obhut?“
„Was geht das dich an! Wie darfst du nach einer der Töchter des Herrschers fragen!“
„Ich will sie sehen und sprechen.“
„Allah sei dir gnädig! Sprechen willst du sie?“
„Ja.“
„Und sogar auch sehen?“
„Ja.“
„Etwa ohne Schleier?“
„Natürlich!“
„Bist du etwa aus dem Joludan entsprungen?“
Dieses Wort bedeutet Irrenhaus.
„Hier, lies!“ antwortete Steinbach kurz, indem er ihm das eine Pergament hingab.
Der Schwarze erblickte das Siegel des Großherrn. Er ergriff das Pergament, legte es an Stirn und Brust, verbeugte sich bis zum Boden herab und las es dann. Als er fertig war, fixierte er Steinbach scharf und sagte:
„Du mußt ein sehr vornehmer Effendi sein, daß man dir eine solche Gnade erweist!“
„Wer ich bin, das geht dich
Weitere Kostenlose Bücher