49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
Sein Gesicht drückte eine ungeheure Spannung aus. Fast war es, als ob in diesem Moment ihn nicht nur die Worte des Tierwärters beschäftigten. Er ging einige Augenblicke lang mit sich zu Rate; dann fragte er, indem er seine Augen mit lauerndem Ausdruck auf den Neger richtete:
„Hast du einmal den Namen Gökala gehört?“
„Gökala? Allah! Du kennst sie?“
„Du auch, wie ich höre?“
„Ja, ich kenne sie, ich kenne sie genau.“
„Wer ist sie?“
„Sie ist die schönste Rose im Garten des Padischa, der leuchtendste Stern am Himmel seines Harems, der schönste Diamant unter den Edelsteinen seines Schatzes.“
„Woher kennst du sie?“
„Sie wandelt täglich mehrere Male und längere Zeit im Garten des Serails. Da sehe ich sie.“
„Ist sie allein?“
„Nein. Prinzessin Emineh ist bei ihr. Sie legen ihre Arme ineinander und nennen sich Freundinnen.“
„Hast du vielleicht einmal ihre Worte belauscht?“
„Mehrere Male.“
„Wovon sprachen sie?“
„Von vielem und verschiedenem. Ich kann mich auf das einzelne nicht mehr besinnen; aber wenn du mir sagst, was du wissen willst, wird es mir einfallen.“
„Sprachen sie von Politik?“
„Was ist Politik? Ich kenne dieses Wort nicht.“
„Sprachen sie vom Krieg und vom Frieden? Von anderen Ländern und von anderen Völkern?“
„Ja, ich hörte es.“
„Sprachen sie von den Russen?“
„Sie haben dieses Wort sehr oft genannt.“
„Von den Deutschen?“
„Ja. Sie erzählten von Wien und von Berlin. Dort lebt ein großer, berühmter Wesir, der einst mächtig sein wird über alle Länder der Erde.“
„Und du hast wirklich gehört, daß sie hierüber sprachen?“
„Ja. Sie sitzen immer auf der Bank bei dem Busch, hinter dem ich stecke, um zu hören, was sie sprechen. Ich bin ein Sklave, ein Eunuch; ich werde niemals ein Weib besitzen, aber dennoch weidet sich mein Auge an dem Glanz ihrer Schönheit und mein Ohr an den Tönen ihrer Stimmen.“
Der andere stand nicht mehr auf derselben Stelle, sondern schritt hin und her. Er befand sich sichtlich in einer nicht gewöhnlichen Aufregung.
Er achtete jetzt des Schwarzen kaum mehr; er hatte nur noch mit seinen Gedanken zu tun und stieß Ausdrücke hervor wie:
„Sie sprechen miteinander – sie haben sich einander angeschlossen – sie treiben Politik – und zu mir sagt sie, daß sie Emineh noch nicht gesehen habe. – Ah, Verräterin! Man wird dir das Handwerk legen! Du sollst erkennen, wer dein Herr und Meister ist.“
Er ballte die Fäuste drohend, als ob er die Betreffende vor sich habe. Dabei fiel sein Blick auf den Schwarzen. Er besann sich jetzt darauf, daß dieser doch nicht alles zu wissen und hören brauche. Darum setzte er sich wieder, verbarg seine Aufregung und fragte:
„Wann hast du sie zum letzten Mal beieinander gesehen?“
„Heute, vorhin, vor kurzer Zeit.“
„Wo?“
„Im Garten. Und er war dabei!“
„Wer?“
„Nun, der, von dem wir sprechen, auf den ich aufpassen soll.“
„Alle Höllen und Teufel! Er war auch im Garten?“
„Ja.“
„Unmöglich!“
„Oh, er hat sogar mit beiden gesprochen, und sie hatten den Schleier vom Gesicht genommen.“
Da riß es den anderen mit Allgewalt wieder von seinem Sitz empor. Er stemmte die Arme in die Seiten und sagte, lauter als es hier wohl geraten war:
„Kerl, besinne dich! Du träumst nicht! Du bist hier bei mir. Dieser Mensch ist im Garten des Serails gewesen und hat Emineh und Gökala unverschleiert gesehen?“
„Ja, ja, doch!“
„Ah! Ist das Zufall, oder ist es ein bewußter Schachzug gegen uns? Sie belügt uns! Sie scheint mit ihm im Bunde zu sein! Wenn ich wüßte, wenn ich wüßte!“
Er war bleich wie der Tod geworden; das sah man trotz seines vollen Bartes. In seinen tiefliegenden Augen zuckte ein grimmiges Funkeln, und seine Zähne nagten an der Unterlippe. Er hatte ganz das Aussehen eines Menschen, dem jetzt alles gleich gilt, Glück oder Unglück, Tod oder Leben.
„Wenn du es nicht weißt, ich weiß es“, sagte der Neger.
„Was denn?“
„Daß er sie entführen wird.“
„Er? Gökala entführen?“
„Frage doch nicht so oft. Ich sage es ja deutlich genug!“
„Oh, ich möchte fragen nicht nur einmal, sondern tausendmal, so unglaublich ist es! Haben sie denn von dieser Entführung gesprochen?“
„Ja. Sie saß auf der Bank; er stand vor ihr, und ich lag hinter dem Busch.“
„Aber die Prinzessin?“
„Die war fortgegangen, um etwas zu holen, was sie dann auch
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