49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
sie begleitende Oberwächter wieder in das Vorzimmer trat, fand er dort den Neger seiner wartend.
„Was tust du hier, Parsdschi?“ fragte er ihn. Pars heißt Leopard und Parsdschi Wächter des Leoparden. Der Neger schien vor dem gewaltigen Oberaufseher nicht sehr große Angst zu haben. Er antwortete unbefangen:
„Ich muß dir sagen, daß ich hinunter in die Schlächtereien will.“
„Brauchst du wieder Fleisch? Du hast doch erst gestern welches geholt?“
„Der Großherr hat verboten, seinem Lieblinge faulendes Fleisch zu geben. Wenn ich nicht gehorche, so wird er mir den Kopf nehmen. Ich muß also täglich frisches Futter holen.“
„So gehe. Ich werde den Wachen befehlen, dich passieren zu lassen.“
Dies geschah, und der Raubtierwärter begab sich nunmehr an das Wasser, wo er, nachdem Steinbach und der Engländer eingestiegen waren, schnell eins der Kaiks nahm, die hier für den Gebrauch der Serailbewohner stets bereit lagen, und ihnen folgte. Er gab sich dabei Mühe, ihnen ja nicht aufzufallen, und hielt sich so nahe, als notwendig war, sie bei dem nun folgenden Gewühl im Hafen nicht aus den Augen zu verlieren. So sah er das Kaik der Fremden an der Jacht des Engländers halten und letzteren an Bord steigen. Steinbach aber ließ sich weiterrudern, landete an derselben Stelle, an der er mit dem Lord eingestiegen war, und begab sich wieder nach dem Serail.
Der Neger jedoch, der ihm gefolgt war, begnügte sich nicht damit, den Fremden in das Palais des Sultans gehen zu sehen. Er wartete vielmehr auf ihn und hatte die Genugtuung ihn schon nach kurzer Zeit wieder heraustreten zu sehen. Steinbach schritt ahnungslos an dem Spion vorüber, ließ sich nach Divan-hane übersetzen und ging von dort aus nach dem alten Kutschu Piati, wo er bei dem Pferdehändler Halef eintrat.
Das war, wie die Leser sich erinnern werden, die Adresse, die er Normann und Wallert angegeben hatte.
Bis hierher war ihm der Neger gefolgt. Jetzt kehrte derselbe um, doch begab er sich nicht an den Ort des Ufers zurück, an dem er sein Kaik gelassen hatte, sondern er lenkte nach Pera, der Vorstadt der Franken, ein, ging an dem russischen Botschaftshotel vorüber, nach dem bekannten Grab Bonnevals, kam von da aus an die hintere Seite des russischen Hauses und trat endlich in eine Spelunke, in der es Kaffee gab.
Es saßen mehrere Gäste hier, lauter Weiße. Der Neger hätte es nicht wagen dürfen, sich bei ihnen niederzusetzen. Er hatte es auch gar nicht nötig denn der Wirt gab ihm einen Wink und führte ihn in ein Kabinett, das hinter der eigentlichen Gaststube lag. Dort befand sich niemand. Der kleine Raum war behaglicher eingerichtet als der größere.
„Befiehlst du Kaffee und Tabak?“ fragte ihn gleich darauf der Wirt in einem Ton, dessen Höflichkeit einem Sklaven und Eunuchen gegenüber auffällig war.
„Ja und schnell!“ lautete die selbstbewußte und herrische Antwort.
„Bleibst du allein?“
„Nein. Du mußt dem Herrn den verabredeten Wink geben.“
Der Raubtierwärter nahm jetzt in einer Art und Weise, als ob er ein vornehmer Herr sei, auf dem farbigen, weichen Teppich Platz. Bald darauf brachte der Kaffeewirt den braunen Trank nebst einem Tschibuk und meldete, daß er das Zeichen gegeben habe.
Als der Neger sich wieder allein befand, rauchte und trank er mit dem Behagen eines Kenners, eines Gourmands, der die liebe Gottesgabe sehr wohl zu schätzen weiß. Als sich aber bald darauf die Tür wieder öffnete, sprang er in großer Eile vom Teppich auf, um den Eintretenden demütig zu begrüßen.
Dieser Mann war ein halb europäisch, halb orientalisch gekleideter Mann in vorgeschrittenen Jahren, von dessen Gesicht wegen des starken Vollbartes und des tief in die Stirn hereingezogenen Fezes kaum mehr als die Nase und die beiden stechenden Augen zu sehen waren.
„Bleib sitzen!“ sagte er kurz.
Dann nahm er, als der Neger gehorchte, diesem gegenüber Platz, griff aus der Tasche ein silbernes Tabaketui heraus, rollte sich eine Zigarette, brannte sie mit Hilfe eines Zündholzes an und sagte:
„Du trafst gerade den letzten Augenblick. Ich wollte soeben einen Gang tun. Hast du eine Neuigkeit?“
Der Neger riß den Mund weit auf, nickte einige Male hastig zustimmend und antwortete:
„Eine große Neuigkeit!“
„Ja, wie gewöhnlich! Du übertreibst stets, um einen guten Preis zu erhalten, und dann stellt es sich jedesmal heraus, daß es nichts gewesen ist.“
„O nein, Herr! Diese Neuigkeit ist wirklich groß und
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