49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
der Büsche und stand kaum zwei Meter entfernt von den Lauschern. Es war Steinbach.
Da hörte man im Tor einen Schlüssel klirren. Gleich darauf öffnete sich dasselbe, und heraus trat eine in schwarze Gewänder gehüllte Frauengestalt, verschloß die Tür wieder und hustete leise. Sofort eilte Steinbach auf sie zu. Sein Herz schlug vor Glück fast hörbar.
„Also wirklich! Du hast Wort gehalten!“ sagte er mit leiser, bebender Stimme.
„Ich pflege nie mein Wort zu brechen“, erklang leise die Antwort. „Sei willkommen! Erlaubst du, daß ich mich dir anvertraue?“
„Ob ich es dir erlaube? Frage den Verschmachtenden, ob er es erlaubt, daß man ihm Wasser gibt!“
„So komm mit fort von hier!“
„Wohin?“
„Willst du das nicht bestimmen?“
„Ich?“ fragte er verwundert. „Wie sollte ich dies bestimmen! Sagtest du mir nicht, daß du heute noch nicht mit mir gehen könntest?“
„Das sagte ich allerdings; aber dennoch kannst du jetzt mein Führer und Leiter sein. Zwei Stunden sind es, die ich heute bei dir sein kann; dann aber muß ich fort.“
„Wohin?“
„Vielleicht sage ich dir dies später. Laß uns jetzt zum Wasser gehen. Wir fahren ein Stück den Kanal hinein und kehren dann zurück. Nachher trennen wir uns, ohne daß du fragst, wohin ich gehe.“
„Das klingt ja sehr geheimnisvoll, doch will ich dir gehorchen. Da du aufwärts fahren willst, müssen wir auch aufwärts gehen. Ich hoffe, daß bei Mustapha ein Kaik zu finden ist; das meinige habe ich zurückgeschickt.“
Er ergriff ihre Hand und fühlte eine wahre Seligkeit, als er bemerkte, mit welchem Vertrauen sie ihren Arm in den seinen legte. Langsam schritten sie fort.
Die in den Büschen versteckten Männer hatten sie nicht einen Moment unbeobachtet gelassen.
„Donnerwetter!“ flüsterte jetzt Rurik. „Sie laufen uns ja gerade ins Garn!“
„Ja. Sie werden unser Kaik finden, uns für Kaiktschi halten und mit uns fahren.“
„Was tun wir dann?“
„Der Kerl muß Wasser schmecken.“
„Sofort?“
„Nein. Wir wollen erst Zuhörer sein, wenn sie die interessante Szene Romeo und Julia spielen. Jetzt schnell; wir müssen ihnen zuvorkommen und doch einen Umweg machen. Aber leise, leise. Es wäre alles verloren, wenn sie uns hörten. Dieser Kerl ist so schlau wie kein zweiter. Haben wir die Bärte im Kaik?“
„Ja. Ich werde doch die Hauptsache nicht vergessen!“
Nach diesem leise geführten Gespräch schlichen die Männer sich fort, hinter den Büschen in einem Bogen an dem Paar vorüber und hinunter an das Wasser. Die beiden Liebenden hatten natürlich keine Ahnung von der Gefahr, der sie so blind entgegengingen.
Steinbach wagte es nicht, den schönen, vollen Arm, dessen Wärme er fühlte, an sich zu drücken. Dieses herrliche Wesen vertraute sich ihm an, und er durfte ein so seltenes Vertrauen nicht mißbrauchen. Er hatte hundert und tausend Fragen auf den Lippen und sprach doch keine einzige aus. Er wollte das selige Schweigen durch keinen Laut unterbrechen.
So näherten sie sich dem Ufer und erblickten das Kaik, in dem, wie bei dem Licht der Laternen vorn am Bug zu erkennen war, vier bärtige Ruderer saßen.
„Habt ihr schon Arbeit?“ fragte sie Steinbach.
„Nein, o Herr.“
„So wollen wir einsteigen. Ihr sollt uns ein Stück aufwärts fahren.“
Die Ruderer gehorchten. Bereitwillig machten sie Plätze in der Mitte des Kaiks frei. Auf diese Weise gedachten sie Steinbach zwischen sich zu bekommen. Doch sie hatten sich getäuscht, denn dieser sagte:
„Ich steuere selbst. Die Strömung ist uns entgegen, und ihr müßt euch alle auf das Rudern verlegen.“
„Herr, du wolltest mitarbeiten?“ wagte einer einzuwenden.
„Steuern ist keine Arbeit! Also vorwärts! Rudert wacker, aber ruhig, so ist euch ein gutes Bakschisch sicher.“
Das Kaik war so groß, daß in der Mitte zwei Personen eng sitzen konnten; vorn und hinten aber nur eine. So saß Steinbach beim Stern am Steuer und das Mädchen vor ihm. Das Boot schoß, von den vier Rudern getrieben, schnell hinaus auf den Kanal.
Droben vom Himmel blickten die Sterne, und Sternchen schienen die Lichter der Kaiks zu sein, die das Wasser belebten.
So ging es schnell vorwärts, eine große, große Strecke weit. Niemand sagte ein Wort. Da neigte Steinbach sich plötzlich vor und flüsterte der Geliebten zu:
„Soll ich nicht so glücklich sein, deine Stimme zu hören? Du bist bei mir und doch nicht bei mir. Wollen wir nicht lieber für kurze Zeit
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