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49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul

Titel: 49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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aussteigen?“
    „Ja; doch wo?“
    „Dort an der ‚Zypresse der Mutter‘.“
    „Nun gut. Die Kaiktschi mögen warten.“
    So steuerte also Steinbach dem Ufer entgegen.
    „Willst du umlenken?“ fragte da Rurik mit verstellter Stimme.
    „Nein, wir legen nur an, und ihr wartet, bis wir wiederkommen.“
    Das Boot flog nun dem Ufer entgegen. Mit einem Mal stand der eine Kaiktschi, der zuhinterst saß, von seinem Sitz auf und hob das Ruder so hoch, als ob er es im nächsten Moment auf Steinbach herniedersausen lassen wolle. Aber Steinbach hatte sich bereits an Land geschwungen und reichte dem Mädchen die Hand. Langsam schritten beide nach der Zypresse, deren Umrisse vom Ufer aus noch ziemlich deutlich zu erkennen waren.
    „Verdammt!“ sagte jetzt der Aufrechtstehende. „Ich wollte ihm das Ruder auf den Kopf schlagen. Da aber stand er schon draußen und hatte sich herumgedreht! Da laufen sie nun!“
    Er knirschte grimmig mit den Zähnen.
    „Noch ist es nicht aus“, tröstete Rurik. „Sie kommen ja wieder. Und dann – “
    „Ja, dann gibt es keine Gnade!“
    „Er wird aber wieder steuern wollen!“
    „Das dulden wir nicht.“
    Die Zypresse hatte ihren Namen von einem unglücklichen Ereignis. Eine Mutter hatte ihre Zwillinge gebadet und sie an das Ufer gelegt. Sie ging um Kräuter zu sammeln. Als sie zurückkehrte, waren die Kleinen fort. In ihren unbehilflichen Bewegungen hatten sie sich dem Wasser genähert und waren ertrunken. Da, wo man die wiedergefundenen kleinen Leichen begrub, wuchs eine Zypresse mit doppeltem Stamm aus der Erde, ein Zwillingsbaum, unter dessen Zweigen später dann vor Gram die Mutter starb. Der Baum hieß nun die ‚Zypresse der Mutter‘.
    Dort auf der Rasenbank, auf der die trauernde Mutter ihre Nächte durchklagt hatte, nahm jetzt das schöne Mädchen Platz, und Steinbach bemerkte wohl, daß sie unter dem langen, dunklen Kapuzenmantel, der ihre ganze Gestalt umhüllte, das feine weißseidene Gewand trug in dem er sie heute gesehen hatte.
    Er wagte es nicht, sich neben sie zu setzen. Wohl hatte er schon tausend Frauen gegenübergestanden, Frauen aller Stände, schönen und häßlichen, witzigen und geistlosen, und war der Liebling der Salons, bevorzugt und verwöhnt. Hier aber fühlte er sich – nicht verlegen, sondern ergriffen von jenem Gefühl, das man empfindet, wenn man einen Dom, oder sonst eine geweihte heilige Stätte betritt.
    Diese weiche, üppige Gestalt, deren volle, zauberische Formen, von dem leuchtenden Gewand hervorgehoben, ließ doch keinen profanen Gedanken aufkommen.
    „Willst du dich nicht setzen?“ fragte sie.
    Das war dieselbe weiche Stimme, mit der sie ihn heute gefragt hatte, welche er für die Prinzessin halte. Leise ließ er sich neben ihr nieder, und endlich fand er den Mut, das eine ihrer Händchen zu ergreifen.
    „Welch ein Tag, welch ein Abend!“ seufzte er. „Mir ist, als sei ich gestorben und wandle in einer Atmosphäre, in der ein jeder Atemzug Seligkeit ist. Es kommt mir hier so ganz anders vor als im gewöhnlichen Erdenleben. Es ist so sonderlich, so wunderbar!“
    „Was ist wunderbar?“
    „Du selbst und alles bei und an dir. Du bist wunderbar wie ein überirdisches Wesen. Meine Begegnung mit dir war schon wunderbar, und noch viel wunderbarer ist es, daß du, eine Bewohnerin des Harems, so ungehindert ihn verlassen kannst, um bei mir zu sein.“
    „Das ist nicht wunderbar. Ich gehöre nicht zum Harem des Padischa.“
    „Nicht?“
    „Nein. Ich bin eine Freundin der Prinzessin Emineh, die ich täglich besuche. Wenn der Abend dunkelt, fahre ich stets nach Hause.“
    „In den Harem deines Vaters?“
    „Ich habe keinen Vater.“
    „Deines Bruders?“
    „Ich habe auch keinen Bruder.“
    „O Allah! Dann kann es nur in den Harem deines Mannes sein!“
    „Nein. Ich habe dir heute zwar gesagt, daß ich mit einem Mann verlobt bin; aber ich gehöre ihm noch nicht und werde ihm niemals gehören.“
    „Dann bist du ein Rätsel, das ich nicht zu lösen vermag, ein süßes, entzückendes Rätsel. Allah gebe, daß die Lösung nicht so verhängnisvoll ist wie in dem abendländischen Märchen, das von einer wunderbaren Meerfee, namens Melusine, erzählt. Sie vermählte sich mit einem Sterblichen und machte ihn unendlich glücklich, damit er später um so unglücklicher werde.“
    „Oh, Graf von Lusignan war an seinem Unglück selbst schuld. Er achtete Melusines Geheimnis nicht.“
    „Wie?“ fragte er überrascht. „Dieses Märchen ist dir

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