49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
will ich haben, wenn ich frage. Wir werden abreisen. Fühlst du dich stark genug dazu?“
„Nein.“
„So werde ich für Nachhilfe sorgen.“
Das klang drohend.
„Tun Sie es! Mir ist alles gleich.“
„Ah! Wegen dieses Deutschen?“ höhnte er.
„Ja“, gestand sie freimütig.
„Das glaube ich dir! Nach einer solchen Szene wie derjenigen unter dem Baum der Mutter, ist es schwer, Konstantinopel zu verlassen. Ich lag hinter eurer Bank und habe jedes Wort gehört. Es muß eine ungeheure Liebe sein, die sich bereits nach einmaliger Begegnung dem ersten besten Fremden an den Hals wirft! Nur eins von allem war verständig nämlich euer
Es ist bestimmt in Gottes Rat,
Daß man vom Liebsten, was man hat,
Muß scheiden;
Obwohl doch nichts im Lauf der Welt
Dem Herzen, ach, so sauer fällt,
Als scheiden.
Das gab freilich eine rührende Erkennungsszene! Er merkte, oder wollte bemerken, daß du eine Hannoveranerin seiest, hat sich da aber doch ein wenig getäuscht. Aber es lag doch Verstand in dem Lied: Ihr habt scheiden müssen, obschon nicht, wie es in der letzten Strophe heißt:
Nur mußt du mich auch recht versteh'n:
Wenn Freunde auseinandergeh'n,
So sagen sie: Auf Wiederseh'n!
Ihr werdet euch niemals wiedersehen!“
„Und doch! Sehr bald!“
„Ah! Wo denn wohl?“
„Jenseits. Ich sterbe auch.“
„Papperlapapp! Denke an die Deinen! Du hast keinen Grund zu sterben! Du kennst mich und weißt, daß ich imstande bin, das fliehende Leben in dir zurückzuhalten. Also mache dich bereit. In zwei Stunden reisen wir ab.“
„Wohin?“
„Das geht dich nichts an! Du bist mein Eigentum. Rechenschaft bin ich dir nicht schuldig.“
„Ich bleibe!“
„Das wird sich finden.“
„Und ich bleibe! Ihre Macht ist gebrochen. Ihre Drohungen haben keine Schrecken mehr für mich. Nun dieser Mann gemordet ist, mögen alle anderen auch sterben. Ich bin mit dem Leben fertig. Es wird mich kein Mensch aus diesem Zimmer bringen.“
Sie schlug die Arme über der Brust zusammen, lehnte sich in die Ecke und schloß die Augen. Gerade in dieser starren Verzweiflung war sie von einer eigentümlichen, marmornen Schönheit. Er betrachtete sie mit glühenden Augen. Es begann die Ahnung in ihm zu dämmern, daß er die Saiten denn doch zu stark angezogen habe. Er liebte dieses herrliche Wesen, freilich aber mit der Liebe eines Teufels. Er konnte und wollte sie nicht einbüßen. Es war möglich, daß sie aus Verzweiflung in den Tod ging. Das wünschte er freilich nicht. Darum sagte er:
„Wenn er nun noch lebte?“
Sie schlug die Augen auf, warf ihm einen matten, vergehenden Blick zu und antwortete:
„Lügner!“
„Und ich wiederhole: Wenn er noch lebte, würdest du auch dann noch sterben wollen?“
„Er ist tot.“
„Nein. Leider hat dieser Hund ein zu zähes Leben gehabt. Er ist aufgefischt worden und hat sich bereits so erholt, daß er sich das Vergnügen macht, mit der Polizei nach mir zu suchen.“
Da färbten sich ihre Wangen.
„Beweisen Sie es!“ sagte sie.
„Beweisen? Pah! Wenn ich es auch wollte, ich könnte es nicht, ich habe keine Zeit dazu.“
„So glaube ich es nicht!“
Sie lehnte sich wieder in die Ecke zurück. Er lachte grimmig auf und knirschte:
„Was für ein infernalisches Geschöpf so ein Frauenzimmer doch sein kann! Ich bemühe mich so viele Jahre lang um einen einzigen freundlichen Blick und werde behandelt wie ein räudiger Hund. Da kommt ein Fremder daher – ihn sehen und seinetwillen sterben wollen, das ist eins. Ich brauche nur zu sagen, daß er lebt, da werden die bleichen Wangen sofort wieder rot.“
„Also doch! Es war nur eine Probe, eine Lüge!“
„Nein, es ist Wahrheit. Der Kerl ist von einem kleinen Dampfer aufgefischt worden und hat mit der Polizei die Wohnung Ruriks besetzt, um ihn abzufangen. Am Morgen wird er zur Prinzessin gehen und von ihr deine Wohnung erfahren. Dann kommt er. Darum eben will ich fort, nur darum!“
„Aus keinem anderen Grund?“
„Nein. Meinst du, daß ich hier alle meine Chancen aufgebe, um eines Pappenstiels willen? Es handelt sich um meine Freiheit, um mein Leben. Ich muß fort!“
Da sprang sie, wie von einer Feder geschnellt, empor.
„Gott sei Dank! Oh, es gibt doch noch eine Vorsehung eine himmlische Liebe, eine ewige Gerechtigkeit. Ich wollte bereits verzweifeln!“
„Das hast du nicht nötig. Deine Vorsehung bin ich; meine Liebe ist für dich himmlisch, und Gerechtigkeit wirst du bei mir finden, sobald ich den ersten Kuß von dir
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