49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
meinetwegen, aber du verschlimmerst dir nur deine Lage. Also ich wünsche, daß du diese Kabine verläßt.“
„Ich bleibe!“
„Weißt du, daß ich Gewalt anwenden werde?“
„Der Kapitän wird mich beschützen!“
„Das bilde dir nicht ein. Er hält dich für meine Frau. Ich bin Türke und möchte den kennenlernen, der es wagt, im Harem eines Moslems eine Stimme haben zu wollen.“
„So werde ich dem Kapitän mitteilen, daß Sie kein Türke, sondern ein Russe sind, ein aus Sibirien entsprungener Sträfling, der erst noch gestern abend einen Mordversuch auf jenen Deutschen gemacht hat, der mich bei Prinzessin Emineh kennenlernte.“
„Katze, falsche! Das wirst du bleibenlassen!“
„Ich werde es tun, ich versichere es Ihnen! Hüten Sie sich, Ihre Härte zu weit zu treiben!“
„Gut, ich will mich fügen, doch nur unter der Bedingung, daß auch du nachgibst. Ich verlange von jetzt an jeden Morgen und jeden Abend einen Kuß von dir.“
„Niemals, nie!“
„Mädchen, hast du denn gar keinen Verstand! Was ist es denn um einen Kuß für eine so große Sache! Du tust ja ganz so, als ob du damit das Leben opfertest!“
„Wenn ein Kuß nichts ist, warum verlangen Sie ihn dann? Freilich gibt man das Leben mit ihm hin!“
„Ah, schön! Das heißt, man küßt nur denjenigen, dem man sich für das ganze Leben schenken will! Mir wird diese lächerlich geringfügige Bitte nicht erfüllt; aber jener Deutsche mußte sich küssen lassen, ohne daß er es wollte, dieser süße, innigst Geliebte – oh, wie hieß er doch nur? Oskar, glaube ich. Seinen eigentlichen Namen wollte er nicht sagen. Nun, ich will jetzt darauf verzichten, dich zu Verstand zu bringen. Sind wir wieder auf dem Land, so geht es anders. Ich habe in Ägypten eine neue Rolle für dich und hoffe, daß du sie besser spielen wirst, als deine letzte in Stambul. Da hast du die Verräterin gespielt; das verzeihe ich dir einmal, aber nicht zum zweiten Mal. Merke dir das!“
Er ging. Drüben ertönte ein tiefer, tiefer Seufzer der Erleichterung und dann hörte der Sekretär in deutscher Sprache die Worte:
„Mein Gott und mein Heiland! Wann wird das ein Ende nehmen! Es ist nicht mehr zu ertragen. Ich werde gewiß noch wahnsinnig dabei!“
Er wußte nicht, was er tun solle. War der vermeintliche Türke wirklich ein aus Sibirien entsprungener russischer Sträfling? Wer und was war aber dann das Mädchen? Nur ein verkommenes Subjekt konnte in dieser Weise sich in der Gewalt eines Verbrechers befinden. Und doch wollte es dem Sekretär schwer werden, diejenige, deren Worte er gehört hatte, unter die Verlorenen zu zählen. War dieser Russe ein Industrieritter, ein Beutelschneider, ein Bauernfänger, mit dem sie reiste, um aus ihrer Schönheit Geld zu ziehen? Ihr Verhalten sprach dagegen. Und wer war jener Deutsche, von dem sie gesprochen hatten? Oskar war sein Vorname, und bei Prinzessin Emineh hatte er sie kennengelernt?
„Das könnte nur der Prinz sein“, dachte der Sekretär. „Ich werde doch versuchen, dieser Angelegenheit auf die Spur zu kommen.“
Er räusperte sich einige Male, dann klopfte er leise an die Holzwand und fragte in deutscher Sprache:
„Bedürfen Sie der Hilfe, Fräulein?“
Sie schwieg. War dies ein gutes oder ein schlimmes Zeichen? War dies ein Beweis, daß sie trotz alledem mit dem entwichenen Verbannten harmonierte, oder wurde sie vom weiblichen Zartgefühl abgehalten, eine Antwort zu geben? Er spielte jetzt einen bedeutenden Trumpf aus, indem er fortführ:
„Befürchten Sie nichts; fassen Sie Vertrauen zu mir. Kennen Sie einen Herrn namens Oskar?“
Da endlich war es, als ob sich etwas bewege.
„Ich bin in seinem Namen hier, Sie in meinen Schutz zu nehmen. Bitte, antworten Sie!“
Darauf hörte er einen leichten Schritt, und dann fragte sie mit leiser Stimme hart an der Wand:
„Wer sind Sie?“
„Ich bin ein Deutscher, komme von Konstantinopel und will nach Kairo. Haben Sie, als Sie an Bord kamen, den Kapitän bemerkt?“
„Ja.“
„Auch den jungen Mann, der neben ihm stand?“
„Ja. Es war ein Türke.“
„Nein, ich war es. Ich trage orientalische Kleidung. Man hält mich für einen Eingeborenen.“
„Was wünschen Sie von mir?“
„Ich möchte wissen, ob Sie der Hilfe bedürfen.“
„Ich danke. Nein!“
„Und doch glaube ich, daß es vorteilhaft für Sie wäre, wenn Sie sich mir anvertrauten.“
„Woraus schließen Sie das?“
Er durfte natürlich nicht sagen, daß er sie belauscht habe;
Weitere Kostenlose Bücher