49 - Deutsche Helden, Deutsche Herzen 01 - Verschwörung in Stambul
seinen Augen funkelte es unheimlich. Er blieb stehen, schlug mit der Faust auf den Tisch und sagte:
„Das ist ein Tag an dem wir zu kauen haben werden. Ich glaube, unsere Rolle ist hier ausgespielt.“
„Wieso?“ fragte Rurik. „Weil man mich fangen will? Oh, mich bekommt man nicht.“
„Bilde dir nicht zuviel ein! Was für einen Einfluß dieser Deutsche besitzt, hast du erfahren, noch ehe wir wußten, daß er ein Deutscher ist.“
„Ich habe meine Schlupfwinkel!“
„Die man bereits morgen kennen wird.“
„Wer wird sie dem Deutschen nennen?“
„Der Wärter des Leoparden. Er ist dein Vertrauter und wird dich verraten müssen, wenn der Deutsche ihn zur Rede stellt.“
„So bleibe ich bei Ihnen. Da bin ich sicher.“
„Bei mir?“ hohnlachte der Herr. „Ich bin von jetzt an selbst keine Minute mehr sicher. Dieser deutsche Hund wird zur Prinzessin gehen, die weiß, wo Gökala wohnt, und dann haben wir die ganze Meute auf dem Hals. Dazu kommt, daß uns unser eigener Gesandter nicht schützt. Er ahnt gar wohl, daß wir nicht das sind, was wir scheinen.“
„So suchen wir uns ein anderes Quartier.“
„Hier? In Stambul?“
„Wo sonst?“
„Das wäre die größte Dummheit, die wir begehen könnten. Nein, wir müssen fort, hinaus aus Konstantinopel. Diese Partie haben wir verspielt. Wir beginnen eine andere, die wir aber gewinnen werden. Es ist notwendig die Stadt noch während dieser Nacht zu verlassen. Warten wir länger, so zieht sich die Schlinge über uns zusammen. Man wird uns zunächst des Mordversuchs anklagen, und während der Untersuchung wird auch alles andere offenbar.“
„Aber eine so schnelle Entscheidung kann nicht auch eine wohlüberlegte sein!“
„Sie ist wohlüberlegt. Ich habe natürlich auch diesen Fall mit in Berechnung gezogen. Geld haben wir genug, Pässe ebenfalls auf verschiedene Namen, visiert sind sie auch, natürlich falsch, so ist also alles in Ordnung. Nun fehlt uns nur ein Fahrzeug, das uns noch vor Tag aus dem Hafen bringt.“
„Das ist nicht zu bekommen.“
„Oho! Auch hierfür habe ich gesorgt. Da ist unten bei Kara Keui Kapussi ein alter Fischer, ein Spitzbube, der Haare auf den Zähnen hat, der hält bereits seit einigen Tagen einen Kutter für mich bereit. Ich habe nämlich außer dem, was ihr wißt, noch ein anderes Spiel auf dem Brett, ich ahnte, daß ich es leicht verlieren könne, und habe mich infolgedessen auf alle Fälle vorbereitet.“
„Und Gökala? Sie geht nicht mit?“
„Werden gleich sehen! Gießt euch ein und trinkt, bis ich wiederkomme!“
Er verließ darauf das Zimmer. Er hatte mit den drei Männern ganz wie mit seinesgleichen gesprochen, trotzdem er von ihnen ‚Herr‘ genannt wurde. Sie bildeten jedenfalls eine höchst rätselhafte Gesellschaft.
Jetzt schritt er durch einige unerleuchtete Zimmer, bis er in eins kam, in dem eine Lampe brannte. Da hockte eine alte Frau auf dem Boden. Als sie ihn erblickte, flog sie förmlich vom Erdboden hoch und machte eine tiefe Verbeugung.
Er gab sich das Ansehen eines vornehmen Mannes, was ihm auch ziemlich gut gelang; und fragte in herrischem Ton:
„Schläft sie?“
„Nein.“
„Weint sie?“
„Nein.“
„Hat sie gesprochen?“
„Kein Wort.“
„Gegessen und getrunken?“
„Auch nicht.“
„Melde mich an!“
Die Alte öffnete eine Tür und rief hinein:
„Der Herr!“
Es war keine Antwort zu hören, dennoch trat er ein. Das Zimmer, in dem er jetzt stand, war auf türkische Manier ausgestattet, und zwar ganz komfortabel. An der Decke hing eine Ampel, die den Raum erleuchtete. In einer der Ecken lag ein Kissen auf dem großen Smyrnateppich, und auf diesem Kissen saß Gökala, bleich wie der Tod. Sie bewegte kein Glied, keine Wimper, als er eintrat und die Tür hinter sich zuzog um von der Alten nicht belauscht und gehört zu werden.
„Hast du dich erholt?“ fragte er.
Sie regte sich nicht und verharrte in Schweigen.
„Hast du mich verstanden?“
Diese Frage hatte ganz denselben Erfolg.
„Gut! Wenn du die Sprache wieder einmal verloren hast, so kennst du ja mein Mittel, sie dir wiederzugeben.“
Da schlug sie die Augen auf. Wo war das herrliche Himmelsblau derselben? Diese Augen waren glanz- und leblos. Es lag in ihnen wie eine Tränenflut, die hervorbrechen will und doch nicht kann oder nicht darf.
„Was wollen Sie?“
Diese Frage war mehr gestöhnt als gesprochen.
„Was ich will, das versteht sich ganz von selbst. Sprechen will ich mit dir. Antwort
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