5 1/2 Wochen
wird sie sich des Ausmaßes ihres Tuns erst bewusst. Der Moment ist gekommen, in dem sie meinen Hund entdeckt. Sie bleibt entsetzt stehen und macht mir klar, dass sie das leider nicht zulassen kann. „No perro. Lo siento (keine Hunde, tut mir leid)“, sagt sie freundlich, aber bestimmt. Ich will aber hierbleiben! Also starte ich eine Bettelaktion: „Señora, ich habe ein eigenes Hundebett dabei.“ Sofort fange ich an, meinen Rucksack auszupacken, um es ihr zu zeigen. Sie will mich stoppen und schüttelt verneinend den Kopf.
Ich ignoriere sie, hole entschlossen das Hundebett raus und lasse Ruddi hineinspringen. Sofort legt er sich hin. Ich ziehe den Reißverschluss zu und sage: „Selbst wenn er wollte, könnte er nicht aus dieser Tasche raus.“ Sie schüttelt verneinend den Kopf: „Lo siento, señora!“ „Aber sehen Sie sich das doch mal an: Er schläft doch schon! Wir beide sind heute Morgen in Puente de Villarente gestartet und völlig am Ende. Sie können uns doch nicht wegschicken. Sie haben bereits so viel Arbeit mit den Personalien gehabt und ich hab doch auch schon bezahlt. Bitte!“ „Wenn das jemand merkt, bin ich meinen Job los.“ „Ihn wird niemand bemerken, er ist viel zu müde. Er will jetzt nur noch liegen. Bellen ist ihm auch zu anstrengend. Sie können mir vertrauen. Ich mache das jetzt schon seit guten drei Wochen und er war noch nie ein Problem.“ Ein bisschen Schwindeln ist erlaubt, oder? Ich erzähle ihr lieber nicht, dass ich ihn ab und zu Schmuggel. Nicht, dass sie all ihre Hotelkollegen bis Santiago de Compostela vorwarnt.
Anscheinend habe ich die richtigen Worte gefunden. Sie fasst sich ein Herz und bringt uns schnell aufs Zimmer. Ich bin begeistert. Mein Reich für eine Nacht ist genauso vornehm wie die Rezeption es verspricht. Alles blitzt und blinkt. Das Interieur wurde liebevoll und erst vor kurzem ausgesucht. Das Bett ist superbequem und groß. Das Bad ist ein Traum und lädt zum Entspannen ein. Es gibt keinen plumpen Lichtschalter - nein! Es gibt einen Schlitz in der Wand, in den man seine Karte stecken muss, damit es hell im Zimmer wird. Das Kämpfen hat sich gelohnt. Als meine Gönnerin Ruddi schlafend in der hingestellten Tasche und das Leuchten in meinen Augen sieht, ist ihr endlich klar, dass sie alles richtig gemacht hat. Zufrieden gibt sie den Raum endgültig frei.
Nach dem Duschen und Wäschewaschen geht es mir deutlich besser, als den ganzen Tag über. Vor dem Essen muss ich einige Blocks weiterlaufen, um Ruddi nochmal Pinkeln zu lassen. Ich will natürlich nicht, dass ihn vom Hotel aus irgendjemand sehen kann. Ich weiß ja nicht, wer da der Chef ist und der freundlichen Rezeptionistin doch noch Ärger macht.
Plötzlich habe ich das Bedürfnis, mich bei meinen Eltern zu melden und rufe sie an. Die Freude ist groß und sie wollen ganz viel wissen. Ich erzähl ihnen das Aktuellste, heißt, wie ich heute durch León gelaufen, an mein Zimmer gekommen bin und wie schön es ist. Von den Qualen, die mir eine Großstadt bereiten, habe ich aber nichts gesagt. Das hat ja noch Zeit. Außerdem muss ich das nicht nochmal durchleben - und das würde ich zweifelsfrei, wenn ich darüber spreche. Dieses kurze, knackige Telefonat hat mir richtig gut getan und Kraft gegeben.
Mit Ruddi in meiner „großen Handtasche“ gehe ich ins Hotel zurück. In dem piekfeinen Comedor sind nur zwei Tische belegt. Ich wähle einen, der etwas abgelegen ist und setze mich auf den Stuhl an der Wand, damit möglichst keiner aus Versehen vor Ruddi’s Bett tritt. Das Essen ist ebenfalls ein Traum. Ich trinke zwei, drei Gläser Rotwein und genieße den Abend in vollen Zügen ganz alleine.
Fast zwei Stunden später liege ich zufrieden im Bett, mache noch ein paar Notizen in meinem Reiseführer, schau mir beeindruckt die Fotos der letzten Tage an und falle dann in einen tiefen Schlaf, ohne auch nur noch einen einzigen Gedanken fassen zu können.
Donnerstag, 8. Mai 2008
Virgen del Camino (2676 Einwohner), 906 m ÜdM, Provinz León
24. Etappe bis Hospital de Órbigo, 25,2 km
Ruddi hebt kurz den Kopf aus seinem Taschenbett und erinnert mich daran, dass er hier in geheimer Mission unterwegs ist. Nachdem ich mich ausgiebig gereckt und gestreckt habe, lege ich einen Zahn zu und sitze schon bald beim Frühstück. Ich bin einmal mehr der einzige Pilger weit und breit. Perrito liegt immer noch in seinem Bett und verhält sich ganz ruhig neben meinem Stuhl. Ich freue mich von Herzen, dass ich noch die
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